Mission Impossible: Busfahren in London

Von Sarah Wotzlaw

Es begab sich aber zu der Zeit?… äh, stop, das ist eine andere Geschichte, aber es begab sich trotzdem, allerdings zu einer anderen Zeit. Und zwar zu der Zeit, als sich 3 Personen, mit anderen Worten: wir, auf den Weg durch die Londoner Innenstadt begaben, um Freude zu verbreiten. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, die Taxen hupten, die Menschen eilten und die Leuchtreklamen blinkten. Eigentlich war alles so, wie an den Tagen zuvor. Nur, daß eine von uns, deren Namen ich mittlerweile verdrängt habe, auf die geniale Idee kam, eines dieser rasenden roten Riesenobjekte, auch Busse genannt, zu nutzen. Es läge ja förmlich auf der Hand und sei außerdem typisch britisch oder eher London-like. Konnte ja auch eigentlich nicht all zu schwierig sein, immerhin saßen Menschen in den Bussen und überall waren Haltestellen, also kein Problem.

So bewegten wir uns in unserem jugendlichen Leichtsinn zu einem dieser Glashäuschen und siehe da, kein Bus hielt. Wir nahmen das ganze natürlich nicht persönlich, waren allerdings nach ein paar Minuten nicht mehr sicher, ob eine solche Fahrt richtig für uns sei.

Gerade als wir uns umdrehten, um diesen Ort des Wartens zu verlassen, hielt er, ein Bus, und er fuhr sogar in Richtung Picadilly, welch ein Glück. Leider entpuppte sich unser vorheriges Glück als Problem: wie kommt man in den Bus? Wir betrachteten eine Frau, die samt eines Kinderwagens den Bus durch einen überaus sportlichen Sprung verließ. Da wir uns als Gruppe immerhin zu 1/3 doch sportlicher als ein Kinderwagen fühlten, wagten wir es.

Wir starteten mitten auf der Straße eine lautstarke, mit Emotionen geladene Diskussion: »O. K., wir springen da jetzt drauf, ich zähl’ bis 3. 1… 2…« – »Ich hab Angst, ich will nicht.« – »…gilt unsere Fahrkarte dafür überhaupt? « – »Ich trau’ mich nicht!« – »Wenn wir jetzt nicht springen, dann…« – »Gut los, aber faß’ mich an der Hand…«.

Es folgte ein Sprung aus dem Bilderbuch. Wie 3 Grazien landeten wir auf der Plattform des Busses, welcher sich exakt im Berührungsmoment Fuß – Plattform, mit einem starken Ruck in Bewegung setzte, aber dennoch, wir hatten es geschafft, wir waren im Bus.

Das erste was wir nach einem kurzen Blackout wahrnahmen, waren die mit Tränen gefüllten Augen eines freundlichen jungen Mannes, der sich vor lachen bog. Es schien als wollte er gar nicht mehr aufhören zu lachen, sogar als wir, selbstbewußt wie 3 Tuna-Sandwiches, deren Remoulade zu gerinnen droht, Platz nahmen.

Dies war, allen Erwartungen entsprechend, gar nicht so einfach, da der Busfahrer den extremsten Fahrstil meiner bisherigen Erfahrungen aufwies. Er wechselte zwischen plötzlichem Stoppen und dem darauffolgenden Durchtreten des Gaspedals. Auf unseren Plätzen angekommen, den ersten Schock gerade überwindend, näherte sich unser immer noch grinsender junger Freund, um unsere Fahrkarten mit einer gehörigen Portion Schadenfreude zu kontrollieren.

Wir lächelten charmant, der Verzweiflung nahe, zurück und genossen die Ganzkörpermassage, die wir gratis durch die Sanftmut unseres Fahrers erhielten und welche uns im Nachhinein zahlreiche Hämatome bescherte. Gerade an die heißen Kurven des Busfahrers gewöhnt, fühlten wir uns der nächsten Katastrophe gegenübergestellt, dem Aussteigen!

Dies erwies sich als ebenso kompliziert wie das Einsteigen. Doch wie heißt es so schön, in Notsituationen ist auf Körper und Geist Verlaß, und so nahmen unsere inneren und äußeren Stimmen beim Erblicken einer roten Ampel Kontrolle über unsere Körper und veranlaßten sie nach einem gellenden JETZT-Schrei aufzuspringen und loszurennen. Also rannten wir den anscheinend gerade an seinem Lachanfall verendenden jungen Freund über den Haufen, sprangen gekonnt auf den Asphalt und waren in… in Freiheit!

Gelöst von allen Ängsten, den Schweiß auf der Stirn stehend, betrachteten wir zunächst uns, dann unsere Umgebung. Alles war genauso harmonisch wie vorher, die Sonne, die Vögel, die Taxen, die Menschen und Leuchtreklamen, alles. Wir bewältigten den Weg zum Hotel mit Leichtigkeit, dort angekommen fielen wir in unsere Betten, um dahinzuscheiden.

Die letzten Gedanken widmeten wir unserem wohl mittlerweile an eine Beatmungsmaschine angeschlossenen jungen Freund… wir hatten unsere Mission erfüllt, wir hatten Freude verbreitet…

 


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