Gruppentaktische Mittel des Angriffs und der Verteidigung gegen einen überheblichen Gegner in wettspielgemäßen Trainings- und Belastungsformen


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Eine Lehrstunde

Von Hans Stemmerich

Nachdem die Lehrer im letzten Jahr 2:5 verloren hatten, weil mehrere Pädagogen verletzt waren, sollten die SchülerInnen am 4. November 2005 wieder in den Genuss einer Lehrstunde kommen.

Thema der Lehrstunde:

Gruppentaktische Mittel des Angriffs und der Verteidigung gegen einen überheblichen Gegner in wettspielgemäßen Trainings- und Belastungsformen

Instrumentelles Konditionieren ist das Lernen am Erfolg
Als oberstes Lernziel hatten wir die Verbesserung der taktischen Fähigkeiten der SchülerInnen festgelegt. Der didaktische Leitgedanke bestand in der Hypothese, dass die Lernenden nach einer perfekten Demonstration durch imitierendes Lernen selbständig Lernfortschritte erzielen. Dabei sollte das Verfahren des instrumentellen Konditionierens, also das Lernen am Erfolg, angewendet werden.

Bereits um 16.30 Uhr betraten die ersten SchülerInnen die Turnhalle. Wie üblich kamen einige zu spät, was wir aber großzügig duldeten. Durch freudiges Begrüßen und Aufwärmen alter Geschichten konnten wir die für den Lernprozess notwendigen positiven reziproken Affekte auslösen.

Besserer Start für die SchülerInnen: Mit zwei Toren in Führung
Das Spiel begann mit einer kurzen Lehrerdemonstration der gruppentaktischen Mittel der Verteidigung, nämlich Verteidigen in Unterzahl, Verteidigen in Gleichzahl und Verteidigen in Überzahl. Die gruppentaktischen Mittel des Angriffs wurden anfangs noch nicht thematisiert. Herr Hischemöller und Herr Czischke zeigten zunächst gekonnt, wie man sich erfolgreich zu zweit gegen fünf Angreifer behaupten kann.

Bereits während der Demonstration der unterschiedlichen Defensivkonzepte suchten die SchülerInnen eigenständig nach Lösungsmöglichkeiten, um gegen die vorgestellten Deckungssysteme erfolgreich vorgehen zu können. Die Lehrer ließen sie nach dem Prinzip des entdeckenden Lernens agieren, und gewährten ihnen zu Unterrichtsbeginn sogar einige Torschüsse, obwohl das Teillernziel dieser Unterrichtsphase die Verbesserung der eigenen Defensive war. Selbstverständlich fanden die SchülerInnen keine Mittel, gegen die routinierte Abwehr zum Erfolg zu kommen. Als erfahrener Pädagoge weiß man aber, dass Lernaufgaben zwar leistungsherausfordernd, aber nicht unlösbar sein dürfen. Deshalb lenkte der Pädagogenkeeper Herr Heidelberg einen von Olaf G. mäßig scharf geschossen Ball, der sehr wahrscheinlich knapp am Tor vorbei gegangen wäre, unauffällig mit beiden Händen um den Torpfosten ins eigene Tor. Er setzte diese billige Motivationshilfe so geschickt ein, dass die SchülerInnen an eine eigenständige Lernleistung glaubten und anschließend voller Begeisterung weiter auf das Lehrertor anrannten.

Völlig planlos nach vorn: jubelnde SuS
Der versierte Pädagoge Herr Heidelberg, Kampfsportler mit Einserexamen, wandte das gleiche Unterrichtsmittel noch ein zweites Mal erfolgreich an: Nach einem durchaus gelungenen Distanzschuss von Michael S., der genau auf seinen Kopf gezielt war, duckte er sich so geschickt ab, dass der Ball knapp über seinem Kopf ins Tor traf. Die SchülerInnen glaubten wieder an ein regulär erzieltes Tor, jubelten und fuhren fort, völlig planlos nach vorn zu stürmen. Die Stimmung unter den SchülerInnen war so positiv, dass sonst eher selten anzutreffende altruistische Effekte ausgelöst wurden: Eigenständig ließen sie sogar den mittlerweile leicht adipösen Johannes H. und den etwas übereifrigen Martin I. mitspielen, die normalerweise von den Protagonisten vom gemeinsamen Spiel ausgeschlossen werden. Leider ließen die SchülerInnen das Lernziel dieses Unterrichtsabschnittes, die Anwendung gruppentaktischer Mittel der Verteidigung, völlig außer Acht, so dass die Lehrer nach dem Prinzip des einsichtigen Lernens einen stummen Impuls setzen mussten: Ohne die SchülerInnen zu informieren wechselten sie zum zweiten Hauptlernziel dieser Stunde: Gruppentaktische Mittel des Angriffs (Anbieten/Freilaufen, Direktspiel, Doppelpass, Hinterlaufen, Übergeben des Balles, angetäuschter Doppelpass, vor das Tor passen, vor das Tor flanken, von den Außenpositionen zurückpassen).
Mit traumwandlerischer Sicherheit: Anschlusstreffer durch Herrn Schröder Die einleitende Demonstration verlief planmäßig: Herrn Stemmerich bekommt an der Mittellinie auf halblinker Position den Ball und dribbelt Richtung Tor genau auf den kompromisslosen Verteidiger Rolf L. zu. Linksfuß Herr Goder kommt über die nun freie linke Außenbahn, erhält den Ball und passt direkt vor das Tor auf den herein gelaufenen Herrn Schröder, der die Chance mit traumwandlerischer Sicherheit zum Anschlusstreffer nutzt. Das erste Lernziel der Lehrer war nicht erreicht worden, die SchülerInnen hatten keines der demonstrierten Verteidigungsmittel angewandt. Schade! Um den SchülerInnen dieses unakzeptable Lernverhalten transparenter zu machen, erhöhte Herr Schröder noch vor der Halbzeitpause nach einer perfekten Direktkombination aus der Abwehr heraus zum 2:2-Pausenstand.
Das schönste Tor des Tages: ein Distanzschuss von Herrn Hischemöller Zu Beginn der zweiten Halbzeit waren die SchülerInnen wieder sehr eifrig bei der Sache, leider nicht mehr so konzentriert wie zu Spielbeginn. Animiert von den schönen Angriffsdemonstrationen der Lehrer, warfen sie nun alles nach vorn – vernachlässigten dabei aber die Abwehr total. Sie ließen Herrn Stemmerich völlig ungedeckt vor dem eigenen Tor stehen, so dass dieser nach einem präzisen Zuspiel von Herrn Schröder den Ball problemlos zum 3:2 verwandeln konnte. Er hatte sogar Zeit, den Ball spektakulär im Liegen einzunetzen. Als Herr Schröder dann selbst noch das 4:2 per Vollspann schoss, ließ die Mitarbeit der SchülerInnen merklich nach. Auch durch lehrbuchmäßige Kombinationen der Pädagogen konnten die SchülerInnen nicht mehr dazu angeregt werden, sich auf gemeinsames zielgerichtetes Agieren zu konzentrieren. Selbst ein Traumpass durch die Gasse von Herrn Goder auf Herrn Stemmerich, der den Ball nur noch am Torwart Ingo H. zum 5:2 Endstand vorbeizuspitzeln brauchte, konnte bei den SchülerInnen keinen Motivationsschub mehr erzeugen. Leider wurde das schönste Tor des Tages, ein Distanzschuss von Herrn Hischemöller aus halbrechter Position über den Torwart ins linke obere Eck, nicht mehr gewertet, weil es angeblich nach dem Schlusspfiff erzielt worden war.
Einsichtige SchülerInnen versprechen Besserung

Die Evaluation fand wie im vorletzten Jahr in der Hotelgaststätte »Altes Brauhaus Drei Linden« statt. Sie dauerte mehrere Stunden und wurde mit einem Arbeitsessen verbunden. Alles in allem zeigten sich die SchülerInnen sehr einsichtig und versprachen glaubhaft, bis zum nächsten Jahr an der Beseitigung ihrer taktischen Defizite zu arbeiten.

Uns Lehrern war jedoch klar, dass wir noch viele Spiele benötigen, um den SchülerInnen das zu vermitteln, was für uns selbstverständlich ist.

Das Siegerfoto 2005
 

Stand: 21.11.2005
Artur Weinhold

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