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»Warum schauen sich Männer bzw. Frauen gerne Pin-up-Girls bzw. -Boys an und was macht eine schöne Frau bzw. einen schönen Mann aus? Sammle Kriterien!«

Als uns, den Schülerinnen und Schülern des Grundkurses Latein (Jgst.11), diese Aufgabe von Herrn Neuhaus gestellt wurde, war das Erstaunen zunächst groß. Was hat das bitte mit Latein zu tun? Eifrig machte sich die strikt in Jungen und Mädchen getrennte Klasse jedoch an die »Arbeit«: Schon nach wenigen Minuten hielten die Mädchen eine detaillierte Liste mit Kennzeichen eines »Traummannes« in der Hand. Etwas schleppender lief die Arbeit jedoch bei den Jungen: Zu Beginn der Aufgabe hatte sich herausgestellt, dass auch einige Mädchen sich durchaus lieber Pin-up-Girls als -Boys anschauen (was laut Herrn Neuhaus übrigens allgemein auf eine große Zahl an Frauen zutrifft), die dementsprechend die Gruppe gewechselt hatten.
Einer der »Traumtypen«
Das Ergebnis: Auf die Frage, warum sich Männer gerne Pin-up-Girls anschauen, lautete die doch etwas ausweichende Antwort: »Frauen schauen sich gerne Pin-up-Girls an, um die Perfektion der Pin-ups zu bewundern, da sie die perfekten Körperpartien und Rundungen haben.« Auch im Bezug auf Kriterien, die eine schöne Frau ausmachen, war die Antwort der Jungen nicht so differenziert (und vielleicht auch nicht so ehrlich) wie die der Mädchen.
Miss Digital World 2004
Hintergrund der ganzen Aktion: die Geschichte um Pygmalion aus Ovids »Metamorphosen«.
Es geht darin um einen jungen Mann, der von allen Frauen auf der Welt so enttäuscht ist, dass er sich letztendlich eine Frau aus Elfenbein schnitzt, die so wunderschön ist, dass er sich in sie verliebt. Was zunächst wenig vorstellbar und irgendwie unrealistisch klingt, ist aber gar nicht so weit hergeholt: Seit 2004 gibt es im Internet jährlich die Wahl zur »schönsten digitalen Miss World«, was eigentlich nichts anderes ist, nur eben mit modernen Hilfsmitteln. Auch wir sollten daraufhin einmal Pygmalion spielen und uns unseren Traumpartner selbst basteln.
Die Ergebnisse dieses Wettbewerbes waren durchaus sehenswert und alle mit Mühe und liebevoll gestaltet. Insgesamt stellten acht Schülerinnen ihren Traummann vor, doch - wie schon bei der vorherigen Aufgabe - zeigten sich die Jungen zurückhaltender.
Der einzige Beitrag eines Jungen

Bei den Mädchen gab es die unterschiedlichsten Werke: Collagen aus verschiedenen Fotos, eigene Zeichnungen, eine »Anzieh-Puppe« mit unterschiedlichen Kleidungsstücken zum Anheften mit Klettverschluss, aber auch Fotos vom eigenen Freund und eine Collage rund um das Thema »Love« waren vertreten. Insgesamt konnte man viele der vorher gesammelten Kennzeichen eines Traummannes wiederentdecken, doch auffallend war, dass im Gegensatz zu Pygmalion der Charakter heutzutage (mindestens) ebenso wichtig für einen echten Traumpartner ist wie das Aussehen. Viele hatten nämlich erwünschte Charaktereigenschaften dazugeschrieben oder in Bildern dargestellt. Verliebt hat sich übrigens niemand in sein eigenes Werk.
Gewinnercollage des »Traumtypenwettbewerbes«

Dass die Geschichte um Pygmalion keineswegs verstaubt oder überholt ist und das Thema »Wunschvorstellungen vom Traumpartner bis hin zum Wirklichkeitsverlust« noch immer aktuell ist, zeigen moderne Werke wie das Musical »My Fair Lady« oder der bekannte Film »Pretty Woman«, die eben dieses Thema behandeln.

So kam es, dass sich der gesamte Lateinkurs von Herrn Neuhaus zusammen mit dem Parallelkurs von Frau Rolf am Abend des 21.Novembers am Dortmunder Theater traf, um gemeinsam die moderne Fassung Pygmalions, also »My Fair Lady«, anzuschauen. Die von den Schülern gewählte Gewinnerin des Traumtypenwettberwerbes, Lisa Schumann, erhielt als Preis übrigens die Eintrittskarte zu dieser Vorstellung.

Das insgesamt sehr lustige Musical gefiel uns allen sehr gut, da wir vorher im Unterricht durch ein Schülerreferat zwar schon mit den Hauptfiguren und der Handlung vertraut gemacht worden waren, aufgrund verschiedener möglicher Enden allerdings bis zum Schluss gefesselt blieben.
Die Lateinkurse der Jgst.11 im Dortmunder Theater

Am nächsten Vormittag kam der Kurs von Herrn Neuhaus so nah an die Bühne heran wie sonst selten ein Zuschauer. Wir bekamen nämlich die tolle Gelegenheit bei einer Führung einmal hinter die Theaterkulissen schauen zu dürfen und so versammelte sich der Kurs nur wenige Stunden nach Aufführungsende erneut im Dortmunder Theater.

Während wir mit einigen Informationen über das Theater versorgt wurden, konnten wir live die Umbauarbeiten auf der Bühne verfolgen, die noch viel größer ist als man vom Zuschauerraum aus erkennen kann. Fast geräuschlos hoben und senkten sich einzelne Teile des Bühnenbodens, sodass man die Bühne alle paar Minuten nicht mehr wieder erkannte.

Bühnenrequisite im Malsaal

Durch lange, verschachtelte Gänge, die uns schnell ein Gefühl von der Komplexität des Gebäudes gaben, führte man uns daraufhin zu einer eher unscheinbaren Tür, hinter der sich der riesige Malsaal erstreckte. Unzählige Bilder und Figuren aus neuen und alten Produktionen waren dort gelagert, aber auch an neuen Werken wurde schon fleißig gearbeitet. Ein Highlight war (besonders für die Mädchen) der gigantische Kleiderfundus, in dem wir in tausenden von alten und neueren Kostümen stöbern durften. Herr Neuhaus stellte sich dabei als Model zur Verfügung und verwandelte sich kurzerhand in einen altertümlichen spanischen Edelmann.
Nach einem kurzen Blick in die Maske der Schauspieler freuten wir uns alle über eine Pause in der Kantine. Danach durften wir auf einer Probebühne selbst unser schauspielerisches Talent zum Besten geben: Nachdem wir alternative Enden des Stückes diskutiert und ein allgemeines Feedback gegeben hatten, machten wir ein paar (teilweise gewöhnungsbedürftige) schauspielerische Übungen und stellten dann »unsere« Endmöglichkeiten des Stückes in einer Art kurzer »Fotostory« dar. Am Ende dieses Vormittags waren wir alle beeindruckt, dass so ein Theater noch eine regelrechte Fabrik enthält!

Auch wenn der »normale« Lateinunterricht neben diesen Ausflügen hauptsächlich aus Übersetzen und Interpretieren des Haupttextes bestand, so gaben uns diverse Schülerreferate jedoch immer wieder Überblicke über angrenzende Themen. Dabei erfuhren wir interessante Details aus Ovids Leben und seine »Metamorphosen«, dem Gesamtwerk, in dem »Pygmalion“ nur eine von vielen Geschichten ist. Historische Hintergründe lieferte uns der Vortrag über das Saeculum Augusti und den Mecenaskreis, wogegen das Thema »Pygmalion in der Kunst« auch eher moderne Künstler aus dem letzten Jahrhundert behandelte und uns staunen ließ, wie viele unterschiedliche Vorstellungen es von Pygmalion und seiner Statue doch gibt. Ebenfalls ein künstlerisches Thema behandelte das Referat über »Die Geburt der Venus« und nachdem wir die Geschichte Pygmalions komplett übersetzt hatten, half uns eine Gesamtinterpretation uns an alle Zusammenhänge zu erinnern.

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Den krönenden Abschuss der Unterrichtsreihe bildete der Film »Pretty Woman«, der, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht glauben mag, ebenfalls eine moderne Fassung von »Pygmalion« ist. Nachdem wir uns diesen Film angeschaut hatten, wies uns ein weiteres Referat auf Details und Parallelen zu unserer Ausgangsgeschichte hin, die doch zahlreicher waren als zunächst angenommen.

Damit verließen wir zwar die Geschichte um Pygmalion und seine Statue, wandten uns aber sogleich einer weiteren aus den Metamorphosen zu: »Pyramus und Thisbe«. Und dies ist nichts Geringeres als die Vorlage zur wohl bekanntesten Liebesgeschichte überhaupt, nämlich »Romeo und Julia«...


Ronja Laarmann-Quante



   
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Stand: 09.03.2008
Monika Stallmeister

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