Über Dr. Werner Jordan
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Ansprache, gehalten anlässlich der Gründung der »Werner-Jordan-Stiftung« am 10. März 2001

Von Jürgen Korn

In den Frühlings- und Sommermonaten gehören manche meiner Samstage ehemaligen Abiturienten, die sich zu einem Jubiläum ihrer Reifeprüfung an unserer Schule einfinden.

So kamen zum Beispiel erst vor 14 Tagen fünfzehn ehemalige Schüler der OIa an ihr altes Gymnasium, in dem sie vor 50 Jahren ihr Abitur bestanden hatten.

Diese Treffen sind für mich persönlich besonders interessant, weil ich selbst Absolvent dieser Schule bin und noch viele Lehrer persönlich kenne, über die dann in den Erinnerungen liebevoll und anerkennend oder auch lästernd und kritisch in zahlreichen Histörchen gesprochen wird. Es ist erfreulich zu sehen, wie sich die gestandenen Herrschaften plötzlich in Mitschüler verwandeln, ihre alten Plätze suchen und mit dem »Weißt du noch...?« beginnen. Da ich an der Komplettierung unserer Schulgeschichte arbeite, konnte ich auf diesem Wege viel bisher Unbekanntes erfahren.

Und ein völlig neues Kapitel unserer Schulgeschichte wird heute begonnen. Vor einigen Monaten hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich Ihnen heute etwas über den ehemaligen Schüler Dr. Werner Jordan mitteilen werde, denn seine Klasse hat sich während meiner Amtszeit nach meinem Wissensstand nicht in dieser Schule getroffen. Da ich in Lünen keinen seiner Freunde oder Familienmitglieder befragen konnte, musste ich mich selbst auf eine Spurensuche begeben. um Ihnen die Person, die jetzt nach dem Willen seiner Witwe Namensgeber für eine Stiftung zu Gunsten des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums geworden ist, näherzubringen. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal von ganzem Herzen bei Frau Dr. Gerda Jordan bedanken, die im Andenken an die Verbundenheit ihres Mannes mit dieser Schule die Idee zu dieser Stiftung hatte. Ich persönlich begrüße die spezielle Widmung der Stiftung zur Fördung der musischen Aktivitäten.

Durch meine Spurensuche in unserem Schularchiv kann ich Ihnen nun einige Fakten über Dr. Werner Jordan aus seiner Schülerkarriere mitteilen. Er wurde 1922 als Sextaner am Reformrealgymnasium in Lünen angemeldet und blieb bis zu seiner Reifeprüfung, die heute auf den Tag genau vor siebzig Jahren stattfand, Schüler dieses Gymnasiums. Als einziger seiner Klasse bestand er diese Abiturprüfung mit gut. Dabei sollte bedacht werden, dass die damalige Notenskala eine andere als heute war: Das Deckblatt der Abiturarbeitsakten weist das aus: gut, genügend, nicht genügend, übertragen auf heutige Verhältnisse hätte er bestimmt eine Eins vor dem Komma gehabt.

Da auch noch die schriftlichen Abiturarbeiten im Original vorhanden sind, entschied ich mich dafür seine Deutscharbeit nachzulesen – etwas schwierig für mich wegen der ungewohnten Sütterlinschrift –, um etwas über seine Art zu argumentieren und über die Auswahl des Themas etwas über seine geistige Orientierung zu erfahren. Von den vier gestellten Themen hat er sich das mit dem geschichtlichem Hintergrund gewählt: »Was bedeuten die Worte Friederichs des Großen in seinem politischen Testament vom Jahre 1752: >Die Untertanen sind der wahre Reichtum des Fürsten< ?« Ich finde, dass aus dieser Arbeit sein großes Interesse an geschichtlichen Prozessen hervorgeht und er seine Fähigkeit beweist, Fakten zu analysieren und gegenüberzustellen. Diese Arbeit wurde von seinem Klassen- und Fachlehrer, dem dreistöckigen Dr. Lappe, der auch Historiker war, mit »gut« bewertet. Die Abiturarbeiten in seinen anderen Fächern zeigen ebenfalls, dass Werner Jordan ein vielseitig motivierter und leistungsfähiger Schüler war.

In unserem Schularchiv gibt es zahlreiche alte Fotos, aber leider keine seines Jahrgangs. Dank des Zufalls stellte mir eine Apothekerin, deren Vater zusammen mit Werner Jordan Abitur gemacht hatte, ein Gruppenbild der Abiturientia von 1931 zur Verfügung, nachdem sie in der Presse von der Stiftungsabsicht gelesen hatte.

Leider konnte sie Herrn Jordan nicht identifizieren. Aber Dank des guten Erinnerungsvermögens seiner ehemaligen Tanzstundenpartnerin Frau Mues, die auch heute anwesend ist und die sich bei der Presse meldete, konnten wir Herrn Jordan erkennen. Sein Portrait als Oberprimaner sehen Sie auf Ihrer Einladungskarte. So enden vorläufig seine Spuren am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium.Weitere Einzelheiten erfuhr ich dann aus einem kurzen Lebenslauf, den mir seine Gattin Dr. Gerda Jordan aus Kassel zur Verfügung stellte.

Dr. med. Heinrich Werner Jordan wurde am 19. Juli 1912 als Sohn von Lina Jordan, geborener Engelbrecht, und Albrecht Jordan in Lünen geboren. Sein Vater war Betriebsführer auf der Zeche Viktoria in Lünen, dessen sehnlichster Wunsch es war, dass auch sein Son in das Bergfach eintrete. Doch Werner Jordan hatte sich schon sehr früh entschieden, Medizin zu studieren, belegt durch seinen Berufswunsch, den er bei der Zulassung zum Abitur angeben musste. Auf dieses Studium konnte ihn damals das Reformrealgymnasium aufgrund seines Fächerangebotes – neue Sprachen und Naturwissenschaften – gut vorbereiten.

Seinem Ziel folgend, begann er sein Studium zunächst in Bonn und schloss dort mit dem Physikum ab. Die anschließenden sechs klinischen Semester verbrachte er je zur Hälfte an den Universitäten in Berlin und in Kiel, wo er dann auch 1938 sein Staatsexamen und ein Jahr später das Doktorexamen jeweils mit bester Note ablegte, obwohl er vorher für mehr als ein Jahr, durch schwerste Krankheit verursacht, seine Studien unterbrechen musste.

1939 begann er seine praktische Arzttätigkeit an der Ludwig-Krehl-Klinik in Heidelberg. Hier konnte er mit Unterstützung der Wilhelm-Erb-Stiftung eigene bedeutende wissenschaftliche Arbeiten durchführen. In diese Zeit fiel auch ein für ihn sehr prägendes Erlebnis. Sein Vater war an Meningitis erkrankt, Medikamente wie Penicillin waren damals schwer zu beschaffen. Sein Klinikchef hatte etwas auftreiben können und ihn damit sofort nach Lünen geschickt, aber er kam eine halbe Stunde zu spät.

Die Kriegszeit endete für Werner Jordan 1945 mit der Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft, in die er in Straßburg geraten war, wo er als Arzt Dienst tun musste. Unmittelbar danach brach wieder seine schwere Krankheit aus, von der er sich nur langsam erholte. Von seiner Frau weiß ich, dass die Musik in diesen Phasen ihres Mannes und bei der physischen und psychischen Anspannung seines Berufes immer eine große Bedeutung hatte. Sie war ihm eine Quelle der Phantasie und Entspannung, ein Kräftereservoir, das ihn den Alltag überstehen ließ. Um so mehr verstehen wir nun das Anliegen der Stiftung, junge Menschen zum Musizieren anzuregen und ein positives Musikerleben auch anderen zukommen zu lassen.

1948 ließ er sich dann als Facharzt für innere Krankheiten in Kassel nieder und war gleichzeitig Belegarzt an dessen Rot-Kreuz-Krankenhaus. Hier arbeitete er bis zu seinem Ruhestand mit neunundsechzig Jahren im Frühjahr 1979. Er blieb Kassel weiterhin treu und verstarb dort 1996.

Nun kehre ich zu dem Gedanken zurück, dass heute Dr. Werner Jordans besonderes Jubiläum ist, wo er nach siebzig Jahren in das Bewusstsein seiner alten Schule rückt, und möchte zum Schluss meiner Spurensuche Ihnen den Werner Jordan als Person zeigen, wie ihn Doktor Lappe in seinem Gutachten 1931 beschrieben hat:

»Jordan ist ein begabter Schüler, der vielseitige, über das Planmäßige der Schule hinausgehende Neigungen besitzt und besonders bei Gegenständen, die ihn fesseln, rege Teilnahme im Unterricht zeigt. Er gewährt ein gereiftes Urteil, das er in Aussprachen gegen Einwürfe mit sicherem Geschick zu verteidigen versteht. Er besitzt eine lebhafte, fröhliche Natur, ist aber doch bescheiden und zurückhaltend in der Schule, folgt willig den Anordnungen und ist seinen Mitschülern ein offenherziger Kamerad. Durch gewissenhafte Pflichterfüllung hat er sich in allen Fächern gute Kenntnisse erworben. An Arbeitsgemeinschaften in Philosophie und Biologie hat er mit sehr gutem Erfolg teilgenommen.«

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 
Die Fotos zeigen Dr. Werner Jordan in den 1930-er Jahren und um 1980. Anm. d. Red.

Stand: 31.05.2004
Dr. Jürgen Czischke

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