Festival Junges Theater: Theater-AG des Stein-Gymnasiums beeindruckt mit starker Leistung

Sicher wissen Sie, dass es Unternehmen gibt, die nach dem „Null-Fehler-Konzept“ arbeiten. Weil der kleinste Fehler katastrophale Auswirkungen haben kann. Sie wussten aber bestimmt noch nicht, dass unsere himmlischen Schutzengel Angestellte einer Unternehmung sind, die nach dem gleichen Prinzip arbeitet.

Denn wenn einer von ihnen versagt, kann das gleich den Tod mehrerer Menschen zur Folge haben. Doch was ist, wenn dieser seine Schuld absolut nicht einsehen und selbst den tödlichen Ausgang nicht wahrhaben will?

Mit dieser Thematik befasste sich das Stück „Wolken sind leicht“, das die Theater-AG des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums am Mittwochabend im Heinz-Hilpert-Theater vor zahlreich erschienenen Zuschauern aller Altersklassen aufführte.

Bilder: H. Stemmerich

 Bliecke-Zwillinge

Wieder waren es die inzwischen 18-jährigen Zwillinge Saskia und Vanessa Bliecke, die den Text geschrieben haben, mit der Gruppe probten, die Regie führten und zur endgültigen Bühnenreife brachten. Unterstützt wurden sie dabei von ihrer Lehrerin Christiane Beckschulze. Es war keine leichte Kost, die die Autoren den Schauspielern und den Zuschauern boten. Doch es war sehr beeindruckend, wie die jungen Leute als Darsteller die Herausforderungen meisterten und wie das Publikum mitging.

Da gab es bei den Zuschauern angespannte Gesichter und zustimmendes Nicken, da gab es Lachen und Tränen in den Augen und da gab es Begeisterung schon lange vor dem Schlussapplaus.

Wie ein roter Faden zog sich das Schicksal von Lilith durch die Handlung, die ein mit Auszeichnungen versehener Schutzengel sein wollte, in diesem Streben aber kläglich scheitert.

Dabei fällt sie immer wieder in Träume, in gute und albtraumhafte. Nebenbei muss sie sich noch mit der Realität auseinandersetzen, die sie aber immer für sich verbiegt. Vanessa Igbokwe meisterte diese Rolle, die schon einer Profischauspielerin viel abverlangt hätte, mit Bravour. Da kamen alle Gefühlsschwankungen zum Ausdruck: Hoffnung, Verzweiflung, Zornausbrüche und der Kampf gegen die Ausweglosigkeit.

Ihr zur Seite stand die gerade mal elfjährige Monique Bittner als Finja, die durch Lilith Schuld ihre Familie verlor – und wie diese nicht einsehen will, dass ihr Bruder tot ist und sich auf die nie enden wollende Suche nach ihm begibt.

Was sie an Textpensum sicher beherrschte, war bewundernswert, wie sie es rüber brachte, war rührend. Die fast zweistündige Darbietung war voll mit außergewöhnlichen Ideen. Zwölf große Engel arbeiteten wie Angestellte einer Versicherung am Computer eines Großraumbüros. Erzengel Gabriel (Nico Wellers) verlangte als Coach außer Fehlerlosigkeit vor allem eins: Leistung, Leistung, Leistung. Daraus wurde eine mitreißende Tanzchoreographie

Inhaltlich wurden viele Fragen und Themen angesprochen. Daneben gab es Ausflüge in die Bereiche von Ethik und Philosophie. Doch es gab nie einen erhobenen Zeigefinger, nie eine Meinungsmanipulation der Zuschauer.

Dafür war alles offen gehalten, auch der Schluss. Jeder konnte an den Stellen nachdenken, die ihn berührten. Ein Zuschauer fällte ein Gesamturteil: „Genial“. Und damit lag er sicher nicht falsch.


Die Bliecke-Zwillinge

Die Zwillinge Saskia und Vanessa Bliecke überraschten im Jahre 2012 die Jury des Jugendtheaterfestivals mit dem selbst geschriebenen Stück „Mitten im Märchen“. Dabei hatten sie 28 Mitschüler eingebunden, ohne die Unterstützung ihrer Lehrer einzufordern. Sie waren auch auf den weiteren Festivals erfolgreich vertreten und waren Hauptautoren der Lokalproduktion „Typisch Lünen“. An ihren Stücken ist dabei auch ihre eigene Entwicklung abzulesen: Boten sie anfangs unterhaltsame, leichte Kost, so zeichnete sich „Wolken sind leicht“ durch einen erstaunlichen Tiefgang aus.