TitelbildInterview mit Peter Gehrmann zu seinem Buch

Peter, du bist bereits seit 1980 Lehrer am FSG. Was hat dich bewogen, zum jetzigen Zeitpunkt ein Buch über unser Schulgebäude zu schreiben?

Die Zeit war reif dafür. Schon vor 30 Jahren hatte ich das Gefühl: Über dieses tolle Gebäude müsste es eigentlich ein Buch geben – aber niemand hat es geschrieben. Und die konträren Meinungen zu diesem Schulgebäude, die von „Das ist ja ein Bunker“ bis zu „Das ist aber eine schöne Schule“ reichen, verlangten einfach nach einer Erklärung. Also habe ich mich selbst an die Arbeit gemacht.

Deine Frage nach dem jetzigen Zeitpunkt hat mit meiner Entwicklung zu tun. Auch ich war jetzt reif für eine solche Aufgabe. Hinzu kommt, dass ich ja auch nicht mehr so lange an der Schule sein werde – der Zeitpunkt hat also auch mit (meinem) Abschied zu tun.

GehrmannLoer5Welche Einflüsse haben deiner Meinung nach der Bau und die Gestaltung eines Schulgebäudes auf die Pädagogik im konkreten Schulalltag?

Dass Raum pädagogisch bedeutsam ist, hat mit der reformpädagogischen Bewegung zu tun, die Ende des 19. Jahrhunderts Eingang in die Schulbaudiskussion gefunden hat. Seitdem hört man immer wieder die Redewendung vom „Raum als dritten Pädagogen“.

Schule als pädagogischer Raum muss auch Erlebnisqualitäten haben. Das ist beim Altbau des Steingymnasiums der Fall. Zum Beispiel habe ich in meiner Ausbildungsschule – einem modernen 1970er Jahre Bau – solche Erlebnisqualitäten vermisst. Dort, wie an vielen anderen damals neuen Schulgebäuden, wurden die naturwissenschaftlichen Sammlungsgegenstände sozusagen vor den Schülern in einem separaten Raum versteckt, der nur für Lehrer zugänglich war. Am Stein wurden die naturwissenschaftlichen Sammlungen als Schausammlungen angelegt, damit die Sammlungsgegenstände für Schüler sichtbar und erlebbar sind. Das ist gebaute Reformpädagogik. – Wir beiden sind ja Pädagogiklehrer. Wir müssen also den „dritten Pädagogen“ nicht unbedingt in Alternativschulen suchen – wir sind bereits mittendrin.

GehrmannLoer1Wir führen das Interview hier oben in der Freiluftklasse des Steingymnasiums und schauen auf die Stadt Lünen. Was hat es mit diesem Ort auf sich?

„Licht, Luft, Sonne“ waren die zentralen Forderungen an den Schulbau der 1920er Jahre. Die hat der Architekt, Karl Schulze, mit diesem Schulgebäude hervorragend umgesetzt, zum Beispiel mit den großen Fenstern, die viel Licht in alle Räume lassen.

Dann müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass schon damals die Oberstufenklassen hier im Turm untergebracht waren. Die pädagogische Idee war, dass Schüler und Lehrer das tun, was wir hier auch gerade tun, nämlich im Unterricht Gespräche und Diskussionen führen. Wo kann man das besser machen als bei Licht, Luft und Sonne?

Welche Bedeutung kommt nach deinen Recherchen dem ehemaligen Schulleiterhaus direkt neben unserem FSG zu?

GehrmannLoer4Zunächst finde ich es bedauerlich, dass 1985, als das Schulgebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde, niemand von den Verantwortlichen bedacht hat, dass wir es hier mit einem Ensemble zu tun haben und dass das ehemalige Schulleiterhaus daher mit unter Denkmalschutz gestellt gehört.

Deine Frage möchte ich mit einem Zitat von Theodor Voigt, Schulleiter von 1929 bis 1934, beantworten. Bei der offiziellen Einweihung und Übergabe des neuen Schulgebäudes hat er in seiner Rede unter anderem den Satz gesagt: „Gerne lege ich [...] das Gelöbnis ab, das schöne Gebäude in treue Hand zu übernehmen, für seine pflegliche Behandlung Sorge zu tragen und [...] für seine weitere Ausgestaltung nach Maßgabe der Bedürfnisse alles zu tun.“ Auf die Gegenwart bezogen bedeutet das in meinen Augen, dass eine pädagogische Weiterentwicklung der Schule, zum Beispiel im Bereich Inklusion, auf geeignete Räume angewiesen ist. Solche Räume stehen im ehemaligen Schulleiterhaus zur Verfügung.

Wie können deiner Meinung nach junge und neue Kolleginnen/Kollegen, neue Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern am besten zu einer Wertschätzung für ihr Schulgebäude gelangen?

Durch aktive Auseinandersetzung. Genau deshalb habe ich bewusst das berühmte Goethe-Zitat an den Anfang meines Buches gesetzt: „Was du ererbt von deinen Vätern hast. Erwirb es, um es zu besitzen.“

GehrmannLoer3Die Auseinandersetzung der Nutzer mit ihrem Gebäude zeigt eine ungeheure Vielfalt – im Unterricht wie auch bei anderen Gelegenheiten. Einiges davon habe ich im Buch dokumentiert. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt und verdient eine eigene Publikation.

Wie stehst du als Autor und langjähriger Lehrer am FSG zu der Tatsache, dass in der Stadt Lünen immer zuerst die Gesamtschule, erbaut von Herrn Scharoun, im öffentlichen Mittelpunkt steht?

Ich finde es gut, dass es Menschen gibt, die sich für das Scharoun-Gebäude (Geschwister-Scholl-Gesamtschule) stark machen. Genauso wie es Menschen gibt, die sich für das Schulze-Gebäude (Freiherr-vom-Stein-Gymnasium) und für das Deilmann-Gebäude (Gymnasium Altlünen) stark machen. Auf alle drei Schulgebäude kann die Stadt Lünen stolz sein, denn alle drei sind von namhaften Architekten ihrer Zeit gebaut worden.

Es ist sicher richtig, dass Karl Schulze in der Öffentlichkeit nicht so präsent ist – obwohl er in Lünen viel gebaut hat. Mit dem Freiherr-vom-Stein-Gymnasium existiert in Lünen sein letztes Werk, da er während der Bauphase verstorben ist. In meinem Buch habe ich herausgearbeitet, dass Karl Schulze als Vermittler zwischen Tradition und Moderne in der Architektur gesehen werden muss und ihn deshalb als einen unterschätzten Architekten gewürdigt.

GehrmannLoer2Abschließend die Frage: Wie bist du auf den verheißungsvollen Titel deines Buches „Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium leuchtet“ gekommen?

Titel und Titelbild knüpfen an der zeitgeschichtlichen Bedeutung des Altbaus an, indem sie einen Aspekt der zeitgenössischen Architektur aufnehmen, die sogenannte „Lichtarchitektur“. Zur Verdeutlichung der Besonderheiten von Gebäuden, insbesondere des Elementes „Licht“, wurden von vielen Architekten bewusst Nachtaufnahmen verwendet. Denn „Licht“ war geradezu ein Synonym für „modern“.

Und „Licht“ war ebenfalls Ausdruck einer hygienischen sowie einer reformpädagogischen Anforderung an ein gutes Schulgebäude.

Peter Gehrmann, ich danke dir für das Gespräch.

Ich danke.

Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium leuchtet

128 Seiten

über 100 Fotos und Abbildungen

Verkaufspreis: 20,00 Euro

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Wegweisende Architektur