Am 1. August 2003 ging es los. Um 6 Uhr morgens flog ich mit etwa 50 weiteren Austauschschülern von YFU nach Amerika. Ca. 19 Stunden später erreichte ich den Flughafen in Atlanta, Georgia und stand zum ersten Mal meiner Gastfamilie gegenüber, bei der ich dann die nächsten zehn Monate leben sollte. Meine kleine Gastschwester Bethany übergab mir einen Ballon auf dem »Welcome« stand. Jetzt wurde noch schnell das erste gemeinsames Familienbild aufgenommen und dann fuhren wir eine weitere Stunde im Auto nach Sugarhill, einem Vorort im Norden von Atlanta. An dem folgenden Wochenende lernte ich die Großfamilie meiner Gastfamilie kennen. Samstag Morgen ging es früh nach South Carolina und ich wurde mit allen meiner Gasttanten und Onkel, Cousinen und Großeltern bekannt gemacht. Das ganze Wochenende wurde viel geschwommen, geritten, Wasserski gefahren... und natürlich gegessen. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich in den Genuß eines wirklich amerikanischen Hamburgers, wahrer südamerikanischer Kochkünste und mexikanischer Spezialitäten, wie z.B. warmen Salat. Nachdem ich am nächsten Montag schon beinahe alle Namen kannte ging es abends wieder zurück nach Georgia. Die nächste Woche war dann eher ruhig, ich ging zum Arzt um eine Gesundheitsbescheinigung zu bekommen, sah zum ersten Mal meine High School und besuchte ein amerikanisches Einkaufszentrum. Meine Sommerferien waren viel zu schnell vorbei, und an dem Sonntag bevor die Schule anfangen sollte, ging ich erstmalig mit meiner Gastfamilie zur Kirche.Vor dem Gottesdienst besuchte ich mit meiner Gastschwester Amanda die Sonntagsschule. In einem kleinen Haus, neben dem eigentlichen Hauptgebäude der Kirche waren ca. 60 Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren und der Jugendpastor versammelt. Dort wurde ich dann allen Leuten vorgestellt und vergaß wieder einmal alle Namen nur Sekunden nachdem ich sie gehört hatte. Nach der Sonntagsschule folgte der eigentlichen Gottesdienst. Natürlich erst, nachdem ich allen Gemeindemitgliedern im Vorraum der Kirche vorgestellt wurde und jeder sich mit Dougnats und Kaffee eingedeckt hatte. Anstelle von einer Kirchenorgel, wie man es hier ja von Kirchen gewöhnt ist, stand auf der Bühne der Kirche eine Band mit Schlagzeug, E-Gitarren, Keyboards und mehreren Sängern. Fast alle Plätze in der Kirche waren besetzt. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass die Kirche in Amerika allgemein ein sehr, sehr wichtiges gesellschaftliches Geschehen ist und auch für mich ein Treffpunkt mit Freunden werden sollte, zu dem ich gewöhnlich drei Mal pro Woche kommen sollte. Dann fing die Schule an: Am Montag Morgen fuhr ich um 6:10 Uhr mit dem Bus erst für eine Stunde durch umliegende Nachbarschaften um andere Schüler abzuholen. Als dann um 7:20 Uhr der Unterricht begann, hatte ich sogar mit Hilfe eines Schulplanes den Traylor Nummer 44 (eine Art Bauwagen, die an Schulen mit starken Schülerwachstum die Klassenräume ersetzen) gefunden. Meine erste Stunde war Englisch, danach hatte ich Theater, dann Geschichte, und dann hieß es ersteinmal 40 Minuten Mittatspause, danach hatte ich Physik und Mathe und als letztes Fach Kunst. Am Anfang kam ich mir mitten unter den 3000 anderen Schülern recht verloren vor, doch auch das änderte sich, und bald hatte ich Freunde gefunden mit denen ich zusammen Mittag aß. Irgendwann im Herbst trat ich dem Kunstclub bei und wir trafen uns so alle zwei Wochen und gestalteten Riesenpostkarten, bemalten Fensterscheiben an Fast-Foot Restaurantes, als Werbung für die Footballspiele an unserer Schule und vieles andere. Den Schulaltag selber empfand ich ziemlich schnell als recht langweilig, da man jeden Tag die gleichen Fächer in der selben Reihenfolge hat. Zum Glück hatte ich die Fächer Theater und Kunst gewählt. In diesen Fächern war es viel einfacher Freunde zu finden, weil es auch Gruppenarbeiten und Unterrichtsgespräche gab, und nicht wie in den meisten anderen Fächern nur Vorträge der Lehrern. Auch wenn es im Herbst keine Ferien gab, fuhr ich mit meiner Gastfamilie über ein langes Wochenende nacg Florida um dort zu Campen. Dort lernte ich die besten Freunde meiner Gasteltern kennen. Mit Bethany und Amanda, meinen Gastschwestern unternahm ich dort Fahrradtouren, wir gingen schwimmen und wir guckten uns aus einiger Entfernung Alligatoren und andere Tiere an, die typisch für Florida sind. Bis Weihnachten verbrachte ich meine Freizeit damit im Nachbarschaftspool zu schwimmen, mit unserem Hund Gassi zu gehen oder mich mit Freunden fürs Kino oder zum Einkaufen zu treffen. Mit meinem Gastvater, Tim besuchte ich einige professionellen Basketball-, Eishockey- und Indoor-Footballspielen. Im November begann ich in einer Kirchenliga Basketball zu spielen. Wir trainierten einmal pro Woche und trafen uns immer Samstagsnachmittags um Spiele gegen die anderen Teams auszutragen. Das Besondere an dieser Kirchenliga war dann eigentlich nur, dass vor jedem Spiele gebetet wurde und dass man nicht fluchen durfte und keiner wirklich böse gefoult hat. Über Weihnachten bin ich mit meiner Familie nach Iowa zu der Mutter von Tim, meinem Gastvater und seinem Bruder Dave gefahren. Trotzdem Iowa ja schon ziemlich weit im Norden liegt hatte ich über Weihnachten keinen Schnee. Trotzdem bin ich mit Bethany auf den Schneeresten von vorweihnachtlichen Schneefällen Schlitten gefahren. Am Heiligabend kamen irgendwelche Verwandte und Freunde meiner Gastgroßmutter und wir aßen zusammen Spagetti, Hamburger und Chili-Cheese Burger. Abends gingen wir dann in die Kirche. Am nächsten Morgen wurde ich von Bethany durch ungeduldige Rufe geweckt, denn natürlich war Santa Claus in der Nacht gekommen, um unsere Geschenke unter dem buntgeschmückten Plastiktannenbaum zu verstecken. Abends fuhren wir dann zu meinem Gastonkel um dort richtig feierlich mit der ganzen Familie zu essen und noch weiter Geschenke auszupacken. Auf dem Rückweg haben wir noch einen »kleinen« Umweg durch Missouri gemacht um dann noch in Kansas eine Schwester von Lollie zu besuchen. In Missouri machten wir einen Zwischenstopp in Saint-Louis, sodass ich unter dem »Gate to the West« hindurchgehen konnte und meine Füße einmal in den Missouri-River stellen konnte. Lollies Schwester Katie kannte ich schon von meinem ersten Wochenende in South Carolina. Sie wohnte mit ihrer Familie auf einer Millitärbasis. Es war sehr interessant zu sehen, dass die meisten Häuser dort schon älter waren und dass man zur Abwechslung auch mal einen Supermarkt oder eine Schule mit dem Fahrrad erreichen konnte. Als wir aus Iowa und Kansas zurückkamen fuhr ich mit der Kirche auf einen Skitrip nach North Carolina. Es war sehr lustig und ich lernte viele Leute besser kennen als zuvor. Obwohl das Wetter nicht ideal zum Skifahren war, waren die Pisten sehr voll. Das zweite Halbjahr begann und ich bekam zwei neue Kurse und lernte wieder neue Leute kennen. Meine neue Theaterklasse führte zwei Theaterstücke auf und ich hab bei der Bühnenkonstruktion so gut wie möglich mitgeholfen. Außerdem führte ich und auch selber kleinere Sketche vor Publikum auf. Nun stand die Fußball Saison vor der Tür. Ich habe Anfang Januar mit dem Lauftraining angefangen. Mitte Februar waren dann die Auswahlen für die beiden Mädchenmanschaften. Ich wurde dann noch für die zweite Mannschaft aufgenommen und so trainierten wir jeden Tag eineinhalb Stunden nach der Schule. Wir hatten normalerweise zweimal pro Woche Spiele, die entweder in unserem eigenen Stadion ausgetragen wurden, oder an anderen High Schools im Umkreis, zu denen wir dann mit einem der typisch amerikanischen gelben Schulbussen fuhren. In den Osterferien war es schon sehr warm und ich war froh als der Pool in der Nachbarschaft endlich wieder geöffnet wurde. In den Ferien unternahm ich einige Ausflüge mit meiner Gastfamilie und traf mich mit anderen Freunden aus der Schule. Am Ostermorgen habe ich »deutsches« Brot gebacken und die Familie hat zum ersten Mal seit ich da war zusammen gefrühstückt. Nach dem Frühstück haben wir noch schnell Süßigkeiten die in Plastikeiern steckten, suchen müssen (auf meinen Wunsch hin, hat meine Gastmutter sie dann doch versteckt). Dann fuhren wir zur Kirche. Für die kleinen Kinder gab es dort noch eine Eiersuchaktion, sonst unterschied sich nichts von allen anderen Sonntagen. Nach der Kirche sind wir zu Tims Schwester Pam und ihrer Familie zum Mittagessen gefahren und auch dort erwartete uns noch eine Eiersuche. Dann fing die Schule auch schon wieder an. Nur noch sechseinhalb Wochen Schule. In dieser Zeit ging ich wieder viel Gassi mit unserem Hund Coco und ich war natürlich auch oft am Pool. In der Schule forderten die Lehrer noch mal viel Leistung und viele meiner Freunde mußten viel lernen. Zu dem ganzen Schulstress kamen dann noch die ganzen Vorbereitungen für Prom.Mit meinen Freundinnen Sam und Lauren war ich an drei Abenden an verschiedenen Einkaufszentren in der Umgebung um Promkleider anzuprobieren. Den Promabend an sich fand ich dann nicht so besonders toll. Irgendwie hatte ich mir etwas mehr darunter vorgestellt. Trotzdem war es mit meinen Freunden ganz nett. Nachdem wir in einem Italienischen Restaurant gegessen hatten ging es zu dem Saal in dem der Ball statt fand. Um 23:30 Uhr wurde dann von dem DJ das letzte Lied gespielt und danach wurde das Licht angeschaltet und ich bin mit Sam und Lauren zu Sam gefahren und wir haben noch einen Film angeschaut. In der Schule folgten nun noch die Endexamen, die in jedem Fach jeweils aus einem Aufsatz und 100 Multiple Choice Fragen bestand. Und dann begannen die Sommerferien. Die erste Woche verbrachte ich zu Hause und arbeitete mit meiner Gastfamilie am Ausbau des Kellers. Lollie traf sich oft mit einer Freundin bei der sie auch reiten ging. Auch ich traf mich mit vielen Freunden aus der Kirche oder der Schule. Mit meiner Gastfamilie fuhr ich dann noch für eine Woche nach Delaware an den Strand. Wir wohnten in einem kleinen Bungalow nur 50 Meter vom Strand entfernt. Wir unternahmen gemeinsam viele Fahrradtouren und gingen oft schwimmen. Danach fuhren wir nach Washington. Wir besichtigten die Gedenkstätten der verstorbenen Präsidenten, viele interessante Museen, liefen einmal um das Capitol und winkten G.W. Bush vom Zaun vor dem Weißen Haus zu. Zwei Tagen später ging es wieder zurück nach Georgia und dann hieß es auch schon Kofferpacken für den Flug nach Hause. Ich habe es sogar geschafft meine gesammten Sachen, außer einige Winterpullover, Bücher und Kuscheltiere, die ich dort zu jeder Gelegenheit bekommen hatte, wieder in die Koffer zu bekommen. Am Dienstag bevor ich gefahren bin gab es noch eine Abschiedsparty im Clubhaus am Pool zudem viele Verwandte, Nachbarn und Freunde gekommen sind.Am 17. Juni 2004 bin ich morgens um 6:30Uhr nochmal zum Pool gegangen. Danach habe ich mich von meiner Freundin Sarah und ihrer Familie verabschiedet, die mich jeden Morgen mit zur Schule genommen haben. Als alles gepackt war kamen noch Sam und Lauren um sich von mir zu verabschieden. Um 14 Uhr sind wir dann zum Flughafen gefahren, wo sich Katie, eine Freundin von der Kirche von mir verabschiedete. Es war sehr traurig als ich mich von Tim, Lollie, Amanda und Bethany verabschieden mußte. Ein Jahr lang haben sie mich wie eine Tochter oder Schwester behandelt und dann war alles so schnell vorbei. |