Max Ebbinghaus berichtet (Juli/August 2000)

… aus Valleyfield, Québec

Von den sechs Austauschschülern der Jahrgangsstufe 11 berichtet Max Ebbinghaus, bis zum letzten Jahr Mitglied der Homepage-Redaktion des FSG, bisher am regelmäßigsten und umfassendsten. Er hat der FSG-Homepage-Redaktion erlaubt, seine Mails, die er an eine Reihe Freunde und Lehrer sowie an seine Verwandten schickt, hier wiederzugeben.

Wir dokumentieren seinen Weg als Austauschschüler vom Anfang an. Die erste Mail – noch aus Deutschland verschickt – informiert darüber, dass er von der Austauschorganisation seine Gastfamilie genannt bekommen hat.

 

6. Juli 2000

Hallo zusammen!

Ob es Euch interessiert oder nicht:

Ich habe endlich eine Familie in Québec!!! Der Ort heißt wohl Valleyfield und befindet sich ungefähr 50 km östlich von Montréal (Superlage!). Eine achtjährige Gastschwester werde ich haben. Mein Gastvater ist Techniker und sie ist Lehrerin. Zu den betriebenen Sportarten gehören auch Badminton und Fußball, was mir wohl sehr entgegen kommt. Morgen bekomme ich die Unterlagen mit weiteren Informationen zugeschickt. Wer mehr erfahren möchte, kann sich ja mal melden. Die Adresse kommt ohnehin noch einmal in einer Massenmail.

Gruß,

éMAX -- »Reduce to the éMAX!«

 

12. August 2000

Hallo zusammen!

Ich schreibe diese Mail jetzt schon, weil ich nicht weiß, ob ich morgen noch dazu kommen werde. Es könnte alles ein wenig drunter und drüber gehen. Ich möchte Euch allen ein wunderschönes Jahr in Lünen, oder wo auch immer Ihr Euch aufhalten mögt, wünschen. Genießt diese Jahr, ich werde es auch tun.

Unter meiner Austauschadresse bin ich allerdings erst ab dem 27.8. zu erreichen.

Vorher habe ich noch ein Sprachcamp, von dem ich keine Adresse habe. E-Mail wird erstmal nicht funktionieren, aber ich melde mich sobald Ihr mir mailen könnt. Vorher kann man ja noch zu Zettel und Stift greifen und einen richtigen Brief verschicken.

Falls jemand das Verlangen verspüren sollte, mich anrufen zu müssen, gibt es jetzt auch noch eine Telefonnummer. Am Telefon müsst Ihr französisch sprechen, es sei denn, es meldet sich eine Männerstimme, denn dann ist das entweder mein Gastvater, der sehr gut englisch spricht oder ich. Das wär’s dann also. Vielen Dank an alle, die mich während meiner Vorbereitung auf das Jahr unterstützt haben und mit Glück gewünscht haben.

Macht’s gut,

éMAX -- »Reduce to the éMAX!« Noch 42 Stunden!!!

 

16. August 2000

Hallo zusammen!

Den Spruch aus der Betreffzeile habe ich nur gewaehlt, weil der hier auf jedem Nummernschild steht und an die franzoesische Vergangenheit erinnert. Wie auch immer, ich bin also in Québec, der Heimat des breitesten Franzoesischs, das ich je gehoert habe. Bis zum Ende der naechsten Woche wohne ich bei einer Uebergangsfamilie, die supernett ist und bei der ich auch bleiben wuerde. Aber meine »richtige« Familie ist ja sicherlich noch viel netter. Hier habe ich also im Moment Internetzugang und kann E-Mails von dieser Adresse aus schicken. Das ist jetzt also fuer das ganze Jahr die verbindliche Adresse, auch wenn ich bei meiner permanenten Gastfamilie wahrscheinlich erstmal keinen Internetzugang haben werde. Doch nun zum Wesentlichen: Hier in Québec, la belles province, sieht es original so aus wie in den USA. Wer also schon mal da war, hat nicht wirklich viel verpasst. Der einzige Unterschied ist der, dass die Leute halt franzoesisch sprechen und alle Schilder auf franzoesisch geschrieben sind.

Im Moment befinde ich mich in Ste-Thérèse, einem Vorort von Montréal. Ich besuche in der Nachbarstadt ein Sprachcamp, wo wir ein wenig in die Feinheiten des Franzoesischs Québecs eingeweiht werden sollen – und es ist wirklich noetig. Das Problem ist nur, dass in diesem Camp 40 der 50 Teilnehmer Deutsche sind und eigentlich nur die vier Schweden, zwei Finninen, ein Tscheche, eine Slowakin und die vier Schweizerinnen alle kein deutsch sprechen. (Die Schweizer behaupten, dass sie deutsch sprechen, aber no way!) Waehrend der Stunden sprechen wir zwar alle fleissig franzoesisch, aber in den Pausen und nachmittags eigentlich nur deutsch.

Normalerweise sagt man ja zum Grad der Beherrschung einer Fremdsprache: »Ich verstehe mehr,als ich spreche.« Und dieser Satz hat hier keine Gueltigkeit, zumindest nicht fuer einen Europaeer. Wir sprechen alle ganz gut franzoesisch und sich untereinander auf franzoesisch zu verstaendigen waere ueberhaupt kein Problem. Nur die Kanadier zu verstehen, das ist wirklich, wirklich schwierig. Ich habe aber festgestellt, dass man sich wirklich schnell daran gewoehnt. Am ersten Abend, habe ich hier nur Bahnhof verstanden und jetzt kann ich zumindest meine Mitbewohner gut verstehen, auch wenn ich noch bei vielen anderen grosse Probleme habe.

Gerade ist ein weiterer Austauschschueler angekommen. Er heisst Steve, kommt aus Australien und wird ein ganzes Jahr bei dieser Familie bleiben. Ich glaube, er ist ganz nett. Morgen wird er mit mir zum Sprachcamp fahren, was nur gut sein kann. Ich denke, das soll es erstmal gewesen sein. Wer mir mailen moechte, sei herzlich dazu eingeladen. Falls die Antwort nicht sofort kommt, habe ich entweder zu wenig Zeit oder keinen Internetzugang mehr, doch der wird mir erst am 26. bei meiner Abreise von hier genommen.

Bis dann,

éMAX

20. August 2000

Hallo zusammen!

Ich hoffe, dass wenigstens dieses Mal meine Mail ankommt, denn es scheint, dass meine zweite Mail, die die Kurzform der ersten enthielt, auch nicht bei allen ankam. Bevor ich jetzt loslege, moechte ich noch um zwei E-Mailadressen bitten, die bei mir wohl fehlerhaft notiert sind: Matthias Wiechert und Mike Thomsen. Vielleicht kann mir jemand helfen, ich wuerde den beiden naemlich auch gerne schreiben. Was passierte seit meiner letzten Mail? Ach ja, ich wollte noch ein wenig ausfuehrlicher ueber meine permanente Gastfamilie reden.

Habe ich schon erzaehlt, dass ich mit einer Finnin, die auch bei mir im Camp ist, auf die gleiche Schule gehen werde? So ist das auf jeden Fall. Meine Gastmutter hat auch schon geklaert, ob es Handball an der Schule gibt, was natuerlich nicht der Fall ist, aber so wie ich es verstanden habe, wollen sie mal schauen, ob sie so etwas einrichten. Waere wohl etwas ganz Neues fuer die Kanadier, aber dank Herrn Klisa habe ich ja die Faehigkeit anderen Menschen Handball beizubringen. Gestern haben wir einen Ausflug zum Mont Tremblant gemacht. Das ist der hoechste Berg in der Region und von oben hat man einen wahnsinnigen Ausblick auf die (un)endlichen Waelder Québecs. Ich bin sehr beeindruckt. Das Dorf am Fusse des Bergs ist einem Schweizer Skidorf nachempfunden.

Als wir wieder zu Hause waren, haben wir ein richtig cooles Abendessen gehabt, mit schoen gedecktem Tisch und so. Habe ich eigentlich schon berichtet, dass mein Gastvater hier in der Uebergangsfamilie diplomierter Chefkoch ist? Demenstprechend ist das Essen auch und der Nachtisch, haeufig Kuchen, ist natuerlich auch selbst gemacht. Nach dem Abendessen waren wir noch im Kino in La tempête (Der Sturm). War zwar nicht einfach zu verstehen, aber der Film lebt ja irgendwie sowieso nicht von den Dialogen.

Das soll’s denn auch gewesen sein. Ich haenge eindeutig zu viel vor dem Computer. Bitte meckert deshalb nicht, wenn ich nicht mehr taeglich schreibe und auch nicht alle Mails beantworte. Das kostet einfach zu viel Zeit. Ausserdem hat Felix mir das hier geschrieben, womit er voellig recht hat: Es ist zwar schoen, wenn Du hin und wieder von Dir hoeren laesst, aber Du musst nicht unbedingt jeden Tag von Dir hoeren lassen! Schliesslich hast Du jetzt ein Jahr Kanada und nicht ein Jahr E-Mail! :-)

Bye,

éMAX

 

22. August 2000


Wie immer beginne ich diese Massenmail mit einem kraeftigen: Hallo zusammen!

Zuerst einmal moechte ich mich fuer die unheimlich vielen Mails bedanken, die bei mir angekommen sind. Sogar von Leuten, von denen ich nicht so bald Antwort erwartet hatte. Vielen Dank. Gestern habe ich 19!!! neue Mails vorgefunden. Das war Wahnsinn. (Ach ja, Spitzenreiter an dem Tag war René, der mir gleich vier Mails schickte.) Im Sprachcamp tut sich nicht sehr viel. Wir lernen halt und das klappt auch ganz gut. Sonntag waren wir noch beim Rigolfeur. Das ist so eine Art Minigolf, aber ganz speziell. Es laesst sich wirklich nicht beschreiben. Kommt nach Kanada und spielt es einmal. Am Abend haben wir noch ein Kartenspiel gespielt, das auch sehr lustig war.

Montag sind wir am Nachmittag vom Sprachcamp aus in einen Park gefahren, wo wir zu zehnt in einem grossen Kanu gefahren sind. War ganz cool. Unsere Fuehrerin hat sehr langsam und deutlich gesprochen, auch wenn sie uns fragte, ob wir denn Tiere und Baeume in Deutschland haetten. So sind die halt hier. Heute Nachmittag war ich im Supermarkt und da habe ich sogar ein paar Buecher gefunden. Doch der wirkliche Hammer war die Uebersetzung des Titels »Der Pferdefluesterer« ins Franzoesische: »L’homme qui mo... (soll fluestern heissen, habe aber das Verb vergessen) aux oreilles du cheval.« Fuer die nicht Frankophilen: »Der Mann, der mit den Ohren des Pferdes fluestert« Das ist doch wirklich Wahnsinn! Aber so sind die Franzosen.

Ach ja, unsere Lehrerin im Sprachcamp ist eine entschiedene Separatistin, die Québec von Kanada separiert sehen will. Hier ist nix mit grosser Vereinigung wie in Europa. Sind halt alle ganz anders hier drueben. Morgen fahren wir nach Montréal. Ich bin schon ganz gespannt.

Gruss,

éMAX

 

24. August 2000

Salut!

Bevor ich mit einem neuerlichen Bericht anfange, muss ich schon wieder die Bitte nach einer E-Mailadresse loswerden: Marcus Hoffmann! Irgend jemand kann mir doch bestimmt helfen, Felix! So, jetzt geht’s los: Wie immer habe ich mich sehr gefreut, dass mirso ausfuehrlich und zahlreich geantwortet wird. Aber danken moechte ich auch dafuer, dass sich die taegliche Anzahl von Mails von 16 auf 8 gesenkt hat. Das ist sehr gut so.

Unser Sprachcamp neigt sich langsam dem Ende zu und ich habe nicht wirklich das Gefuehl, dass ich gross was gelernt haette. Zum Glueck durften wir heute sagen, dass das alles schlecht war. Gestern waren wir den ganzen Tag in Montréal. Was soll ich sagen? Es wirkt schon mehr nach Europa als alles andere hier, aber die Stadt ist einfach haesslich und langweilig. Kein Vergleich mit einer europaeischen Metropole. Aber huetet Euch davor zu sagen, dass Ihr Montréal nicht so schoen findet!!! Die Kanadier waren schon erstaunt, als wir ihnen erzaehlten, dass es auch in Deutschland U-Bahn gibt und zwar in fast allen Grossstaedten und nicht nur in einer Metropole. Tja, das war ein Schock, denn die Kanadier sind ganz schoen stolz auf ihre Metro in Montréal.

Nachdem wir ungefuehrt in einzelnen kleineren Gruppen durch die Stadt geirrt sind, und natuerlich nichts Wesentliches gesehen hatten, kamen wir wieder am Nachmittag zusammen, um eine Ausstellung zu besuchen, die von allen hoch gelobt wurde. Das musste man gesehen haben. Wie soll ich es beschreiben? Es war eine mittelgrosse Technikausstellung fuer Kinder bis maximal 8 Jahre. Sonst waren auch nur deren Eltern und wir da. Das setzte diesem gelungenen Tag die Krone auf. Also wirklich, der Montréalbesuch kam nicht annaehernd an die perfekte Stadtfuehrung durch Paris von Frau Haverkamp und Frau Thamm waehrend des Etampes-Austausches heran. ;-)

Heute Nachmittag sind wir dann in ein Einkaufszentrum gefahren. War so mittelpraechtig. Interessant war allerdings ein Laden, in dem jeder – und es war wirklich jeder – Artikel einen Dollar kostet. Da gab es unendlich viele Sachen, unter anderem auch ein Viererpack Batterien. Fuer einen Dollar! Die Batterien waren allerdings nicht Mercury-free, weswegen ich sie nicht gekauft habe. Allerdings haette ich sie sowieso nicht benoetigt. Aber die Kanadier haben es echt nicht so mit der Umwelt. Wasser kostet hier naemlich NICHTS! Man bezahlt einmal eine Pauschale und kann so viel benutzen wie man moechte. Leere Batterien werden einfach in den Muell geschmissen und so weiter. Dass auf Dosen und Plastikflaschen Pfand ist, relativiert sich in Anbetracht der Sache, dass es jeweils nur 5 Cent sind. Wie laecherlich.

Heute muss ich mit dem Australier zusammen kochen. Ich mache Wiener Schnitzel mit Kartoffelgratin und Gemuese und er macht irgend einen australischen Nachtisch. Das haben wir schon gut vorbereitet, doch gleich geht es weiter. Morgen ist endlich der letzte Tag des Sprachcamps! YEAH! Samstag haben wir eine »Party», zu der jeder etwas Regionsspezifisches kochen oder einfach nur mitbringen soll, dass aber kalt geniessbar ist. Die sind lustig. Mal schauen, was sich machen laesst. Bis jetzt weiss noch keiner, wann ich von meiner Familie abgeholt werde. Die Familie wahrscheinlich auch nicht. Organisation ist halt alles. Ich melde mich dann Samstag frueh zum letzten Mal von hier. Wer weiss, wann ich wieder E-Mails schreiben kann.

Macht’s gut,

éMAX

 

26. August 2000

... bye bye Junimond!« (»Junimond«, Rio Reiser)

Hallo zusammen!

Es ist moeglich, dass das hier erstmal meine letzte Mail fuer eine lange Zeit sein wird. Denn gleich fahren wir zu der »Party« im Sprachcamp und von da aus wird meine permanente Familie mit zu sich nehmen. Dann erreicht Ihr mich unter der Adresse, die ich Euch gegeben habe. Ich muss sagen, dass ich durchaus etwas aufgeregt bin.

Die letzten zwei Wochen waren wirklich Auslandsaufenthalt-light. Es waren halt zu viele Deutsche da. Und nun werde ich mich nicht nur an eine ganz neue Familie gewoehnen muessen, sondern auch daran 24/7 nur noch franzoesisch zu sprechen. Mit anderen Worten: Das Jahr beginnt! Unser Wetter gibt in den letzten Tagen alles. Bei 30 Grad erlebe ich hier den Sommer, den es in Deutschland nicht gab, bevor ich abgefahren bin.

Gestern war es superheiss und wir waren vom Camp auch noch Minigolf spielen in der sengenden Hitze. Allerdings bin ich so braun, wie sonst nur nach einem Tuerkei-Urlaub. Gestern wurde das Camp schon stark verkleinert, da viele Schueler schon gestern abgeholt wurden. Zu der Party heute soll jeder etwas zu Essen mitbringen. Ich habe gestern einen Obstkuchen gemacht, der eigentlich zu cool zum Essen ist. Habe ich eigentlich schon erwaehnt, dass meine Schnitzel gut angekommen sind? Sie sind es auf jeden Fall und nichts ist uebriggeblieben. Ich denke, das spricht fuer mich.

Musikmaessig habe ich noch nicht wirklich den Ueberblick, aber Britney Spears und das Lied »Ces soirées-là« sind hier ueberall. Es gibt, glaube ich, ueberhaupt nichts anderes mehr. Hier in Kanada gibt es an jeder noch so kleinen Kreuzung Stopp-Schilder fuer alle Seiten. Das ist echt unheimlich nervig, da man selten laenger als 200 m faehrt. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass die Stopp-Schilder teilweise mehr als Empfehlung gelten, da sie von sehr vielen Kanadiern einfach ueberrollt werden.

Das waere es dann auch dann. Wenn ich mich nicht mehr melde, dann habe ich keinen E-Mailzugang mehr. Dann muesst Ihr mir halt echte Briefe schreiben. (Mich erwarten doch sowieso schon hunderte von Briefen bei meiner permanenten Gastfamilie, oder etwa nicht? ;-) ) Macht’s gut und lasst von Euch hoeren.

éMAX

 

26. August 2000

Hallo zusammen!

Dies ist also meine erste Mail aus Valleyfield. Da ich auf einem Notebook tippe, wird die Mail nicht so lang werden.

Die Abschiedsparty war wirklich eher schlecht als recht. Ich bin mit meiner temporaeren Familie gekommen und dann mit meiner permanenten wieder gefahren. Die drei (Vater, Mutter, Tochter) sind wirklich nett und das Haus ist auch nicht klein. Ich habe leider keine Ahnung, wie das in Zukunft mit den E-Mails aussieht, deswegen kann ich auch nicht versprechen, dass ich mich regelmaessig melde.

Das soll’s auch schon gewesen sein. Von jetzt an gibt es deutsch nur noch in Briefen und E-Mails. Der Rest des Tages ist ausnahmslos franzoesisch.

Macht’s gut,

éMAX

 

27. August 2000

Hallo zusammen! Ach nee, ich muss ja franzoesisch reden: Salut!

Nachdem ich mich in meiner ersten Mail etwas kurz gehalten habe, will ich jetzt ein wenig ausfuehrlicher schreiben, zumal die angekuendigte Wiederholung des Formel-1-Rennens doch nicht laeuft. Schade, ich haette das gerne gesehen, aber 8 Uhr war mir zu frueh und jetzt zeigen sie es aus irgendwelchen Gruenden nicht.

Ich wohne also in Valleyfield mit einem Gastvater (Gilles), einer Gastmutter (Nathalie) und einer 8-jaehrigen Gastschwester (Catherine). Valleyfield verdient bei 35000 Einwohnern wirklich schon den Namen Stadt. Unser Haus steht nicht wirklich weit von dem, was man als Stadtzentrum bezeichnen koennte. Das Haus ist einigermassen gross. Das faellt mir vor allem daran auf, dass ich ein Zimmer von bestimmt 20 Quadratmetern habe. Ist ein ganz neues Gefuehl fuer mich! ;-) Im Keller (ja, wir haben einen) steht neben der zweiten Anlage auch ein Plattenspieler mit ueber 350 Platten (Vinyl ist halt das einzig Wahre!) und ein megacooler Synthesizer, mit dem man coole Sachen machen kann. Ausserdem gibt es noch eine Tischtennisplatte, Sofas und einen Fernseher. Mein Zimmer hat mit Bett, Schreibtisch, Wandschrank, kleinem Regal und Anlage (yeah!) die Standardausstattung.

In unserem Garten werden Tomaten und anderes Gemuese kultiviert und es gibt auch ein Schwimmbad. Die Nachbarn kommen mindestens einmal am Tag fuer ein kleines Plaeuschchen herueber – immer mit einer Flasche Bier in der Hand. Die sind aber alle sehr nett hier und respektieren mich, obwohl ich nur wenig verstehe. ;-) Meine Familie hatte auch noch ein altes Fahrrad fuer mich, mit dem ich zur Schule fahren kann, was entschieden besser als der Schulbus ist. Wir haben heute auch schon eine Tour gemacht und ich fuehle mich der Herausforderung, den Weg alleine zu fahren, gewachsen. Ach ja, heute ist ja Sonntag.

Muesst Ihr nicht morgen in die Schule? Ich werde der Schule morgen Abend nur einen kurzen Besuch abstatten, um mich vorzustellen und meine Kurse zu waehlen. Dann muss ich erst Donnerstag wieder fuer zwei Schulstunden hin. Danach beginnt erst richtig der Unterricht. Meine Gastmutter, die Ersatzlehrerin an der Schule war, jetzt ist sie arbeitslos, hat mir den Kalender der Schule gezeigt. Die haben hier unendlich viele Tage, an denen fuer die Schueler frei ist. Die laengste Periode von nur durch Wochende unterbrochenen Schultagen dauert 18 Tage. Sonst gibt es immer wieder schulfrei.

Ich habe da noch eine kurze Frage: Wann beginnt bei Euch die Schule? Meine startet auf jeden Fall erst um 9.20 Uhr. Das bedeutet, das ich erst um 9 Uhr aufbrechen muss. Cool, was? Dann habe ich zwei Stunden à 75 Minuten mit einer 20-minuetigen Unterbrechung dazwischen. Dann ist erstmal Mittagspause fuer 80 Minuten und dann habe ich nochmal zwei Stunden mit Pause im Nachmittag. Die Schule endet dann um 16.05 Uhr.

Der Stundenplan ist hier auch ein wenig anders als in Deutschland oder den USA. Man hat hier keinen Stundenplan fuer eine Woche, sondern fuer 9 Tage. Das bedeutet, dass ich am Freitag der zweiten Woche die gleichen Stunden habe, wie am Montag der ersten. Alles verstanden? Nach der Schule warten dann noch mehrere Aktivitaeten auf mich. Mal schauen, was ich so machen werde. Ich hoffe, dass Euch das erstmal reicht. Fuer Fragen bin ich immer offen und ueber Mails freue ich mich weiterhin.

Gruss,

éMAX

 

28. August 2000

Allô!

Da die Mails an Marcus und Mike immer noch fehlschlagen, bitte ich darum, dass sich jemand bei Ihnen meldet und Ihnen sagt, dass sie mir mailen sollen. Dann sollte es ja klappen. Besten Dank! Ich war heute in der Schule und ich kann dazu nur sagen, dass ich glaube, ein Superjahr verbringen zu werden. Neben der Schule sind standardmaessige Sachen wie Fussballfeld, Footballfeld und Laufbahn. Die Schule beherbergt 1300 Schueler und ist deshalb noch ziemlich uebersichtlich. Ich glaube nicht, dass ich mich verlaufen werde.

Hier laeuft das alles ein wenig anders als in Deutschland. Hier gibt es nicht Lehrer, die zusaetzlich noch andere Funktionen ausfuehren muessen, sondern entweder Lehrer oder Personen, die andere Funktionen ausfuehren. Die ganze Schule wirkt deshalb wie ein perfekt durchorganisierter Betrieb. Alle Lehrer hier sind supernett und so wie es aussieht, laesst sich der Grossteil der Lehrer von den Schuelern duzen und mit Vornamen anreden. So was schafft eine voellig andere Atmosphaere und ein anderes Verhaeltnis. Es gibt natuerlich eine Bibliothek mit Internetzugang, die allerdings nicht so schoen ist wie unsere. Dafuer gibt es hier aber vier vollausgestattete Informatikraeume, die man in der Mittagspause zum Surfen oder Arbeiten benutzen kann.

So viel dazu. Ich bin eingeschrieben fuer die sécondaire 5. Das ist die Abschlussklasse und die Person (es ist kein Lehrer!), die mit mir die Kurswahl gemacht hat, will dafuer sorgen, dass ich auch meinen Abschluss machen darf. Das waere natuerlich supercool. Als Folge daraus, muss ich allerdings einen harte Kurse waehlen, was bis auf Franzoesisch kein Problem sein sollte. Er sagte, falls ich nicht zurecht kommen sollte, koennte ich einfach das Niveau wechseln, dann waere halt einfach der Abschluss weg. Ich habe jetzt auch einen superhohen Mathekurs mit 8 Stunden in neun Tagen. Hammer. Neben den Pflichtfaechern, die ich fuer den Abschluss haben muss, ist jetzt gar kein Platz mehr fuer irgend etwas Exotisches. Schade eigentlich, aber ich will diesen Abschluss! Das soll auch meine taegliche Meldung gewesen sein.

Gruss,

éMAX

 

30. August 2000

Hallo zusammen!

Heute war mein erster Schultag in Kanada und was soll ich sagen?

Ich fang einfach mal an: Ich musste ja wie bereits berichtet um 9.20 Uhr da sein. Um 8.50 Uhr habe ich das Haus verlassen und mir mein Fahrrad geschnappt und bin bei hochsommerlichen Temperaturen und Sonne gen Schule gefahren. Dort angekommen stellte ich fest, dass es noch genau vier andere Schueler gibt, die mit dem Fahrrad zur Schule kommen. Ich finde, das hat was Elitaeres, ungefaehr so wie 3Sat-Gucken.

In der Schule sollte ich dann zuerst ins Auditorium fuer das Photo fuer den Schuelerausweis. Ach ja, das »M« in Auditorium besteht aus dem goldenen M von McDonald’s, scheint wohl gesponsort gewesen zu sein. Wie auch immer, Hauptaufgabe war es also ins Auditorium zu kommen, was mich zwei Stunden kosten sollte, da natuerlich jeder Schueler als erstes dahin gehen sollte. War man einmal drin ging es ganz schnell: Zettel mit Namen und Schuelernummer abgeben, auf einen Stuhl setzen, Foto machen, Zettel entgegennehmen und Stundenplan und Buecher abholen. Das Problem war nur, dass der Computer meine Schuelernummer nicht nehmen wollte, weil ich wohl noch nicht ueberall gespeichert war. Das bedeutete, dass ich umsonst anstand und naechste Woche mein Photo gemacht wird.

Stundenplan und Buecher gab es in der Turnhalle. Die Lehrer fragten dann immer nach meinem Namen, wegen der Buecher. Dann sagte ich »Ebbinghaus« und sie fingen an zu strahlen: »Tu es l’Allemand?« Bin ich natuerlich und alle haben mich freundlich aufgenommen. Nachher stellte ich fest, dass die Nummer meines Spinds fehlte. (Wie laeuft das eigentlich am Stein mit den Teilen?)

Dann machte ich mich erst auf die Suche nach einem Verantwortlichen fuer die Spinde, der mir schliesslich eine Nummer gab. Doch die Schraenke waren bereits abgeschlossen. Ich also zurueck und die Sache erzaehlt. Ach ja, fiel es ihm dann ploetzlich ein. Er hatte die Schloesser angehaengt und ging dann mit mir, um sie wieder anzunehmen. Dann hatte ich also meinen Schrank und konnte nach Hause gehen.

Nachdem das mit dem Photo geklaert war, hat mich der Rest ungefaehr 20 Minuten gekostet, so viel zur Organisation. Heute Nachmittag habe ich dann Star Wars – Episode I auf franzoesisch geguckt. Auf ganz cool. So, morgen habe ich wieder frei, weil dann die andere Haelfte der Schule das alles ueber sich ergehen lassen muss. Freitag ist dann Schule und Montag wieder frei – Feiertag.

Macht’s mal gut,

éMAX

 

31. August 2000

Hallo zusammen!

Ich habe heute eigentlich nicht viel zu erzaehlen, weil ich ja den ganzen Tag irgendwie nur mit Nichtstun, SuperNintendo und Video gucken verbracht habe. Ich wollte aber schreiben, um zu melden, dass morgen Freitag ist und ich folglich versuchen werde mich gegen 23 Uhr deutscher Zeit im Chat von www.freenet.de einzufinden. Wer mitmachen will, muss sich allerdings einen Chatnamen reservieren, was ein paar Minuten dauert und deswegen am besten sofort gemacht wird. Ihr werdet mich schon finden, wenn ich da sein sollte. Hat was mit dem Buch »1984« zu tun, aber irgendwie das Gegenteil. (Ist das nicht ein schoenes Raetsel?) Wer chatten kommt, sieht was gemeint ist. Ich kann aber keine Garantie geben, dass ich da sein werde. Sonst koenntet Ihr es auch noch einmal eine halbe Stunde spaeter probieren.

Aber vielleicht geht ja auch eine steile Party ab. Dann feiert ruhig, E-Mails sind auch cool. Ach ja, wir haben den Laptop ueber das Wochenende, also ein weiterer Vorschlag: Samstag, 17 Uhr deutscher Zeit. Ich habe gerade noch eine lange Unterhaltung mit meinen Gasteltern gefuehrt. (Mit dem Franzoesisch wird es immer besser!) Morgen ist ja mein erster wirklicher Schultag und deswegen haben wir ein bisschen ueber kanadische Schule gesprochen.

Meine Gastmutter, die seit heute wieder eine Anstellung hat (an einer Problemschule, wie ich das verstanden habe), hat mir Examen und Tests gezeigt. Die sind ja wohl pisseinfach. Also wenn ich hier einmal unter 75% (was anderes als % gibt es hier nicht) fallen sollte, gebe ich es auf und komme nach Hause. Ausserdem hat man ein Recht darauf, dass man alles, was man nicht verstanden hat, ausserhalb der Unterrichtszeit vom Lehrer so lange erklaert bekommt, bis man es versteht. Sehr loeblich, so werden die Ausgaben fuer Nachhilfe gesenkt. Sie haben mir auch schon viel vom Bal des finissants (Abschlussball) erzaehlt. Es scheint wirklich lustig zu werden.

Es gibt natuerlich auch hier an der Schule einen Wettbewerb, wer mit dem originellsten Gefaehrt zum Ball kommt. Mama, Papa, ist doch in Ordnung, dass ich morgen den Helikopter bestellen will? Sonst sind die schon alle vergeben! ;-) Sonst war es das erstmal.

Gruss,

éMAX

 

Weiter zu den Mails aus dem September 2000

Stand: 17.10.2000
Artur Weinhold

Übersicht

Chronik | Schulprogramm | Projekte | Beschäftigte | Arbeitsgemeinschaften | Ehemalige | Schüleraustausch | Freunde und Förderer | Kontakte | Wissenswertes | Wegweiser

Max Ebbinghaus berichtet