Im heiligsten der Stürme falle zusammen meine Kerkerwand. Und herrlicher und freier walle mein Geist ins unbekannte Land. (Friedrich Hölderlin) Diese Zeilen Hölderlins könnten als Lebensmotto von Doris Kraemer gelten. Angetrieben von ihrem freien Geiste, ihrem Wissensdurst und ihrer Neugier entschied sich Doris Kraemer für ein außergewöhnlich vielfältiges Spektrum an Studienfächern: Mathematik und Physik wählte sie ebenso wie Philosophie, Geschichte und Deutsch. Praktische Erwägungen führten dann zu den Unterrichtsfächern Geschichte, Deutsch und Philosophie. Grenzen in ihrer Aktivität und ihrem Lern- und Wissenshunger nahm sie nicht hin. So studierte sie während ihrer Unterrichtstätigkeit noch das Fach Sozialwissenschaften nach und beteiligte sich nach dem Fall der osteuropäischen Grenzen aktiv an der Forschungsstelle Ostmitteleuropa der Universität Dortmund. Seit jeher galt ihr Streben dem Zusammentreffen und Verstehen von Menschen der unterschiedlichsten kulturellen Herkunft. Viele ihrer Aktivitäten dienten dem Zweck, Menschen aus dem ost- und westeuropäischen Raum zusammen zu bringen, persönliche Austauschmöglichkeiten zu schaffen, sich der eigenen Geschichte und der des Gegenübers bewusst zu werden und Verständnis füreinander zu finden. Dabei vergaß sie nie, das Ausmaß an Leid zu vermitteln, das gerade Menschen aus dem osteuropäischen Raum durch das Erleben von Krieg, Flucht und Verlust der Heimat zugefügt wurde. Mit Hilfe vieler literarischer Texte sensibilisierte sie die Schülerinnen und Schüler immer wieder für die bleibenden Schmerzen des Verlustes im menschlichen Bereich. Mit großem pädagogischem Engagement wirkte sie am Geschwister-Scholl-Gymnasium wie am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. Das GSG belebte und füllte sie mit vielfältigen Aktivitäten und Aufgaben. Sie betreute unter anderem die Schülerzeitung und die Astronomie-AG, verwandelte in zwei außergewöhnlichen Ausstellungen zum Mittelalter und zum antiken Griechenland die Schule in ein Museum und war seit Beginn der Oberstufenreform als Oberstufenkoordinatorin verantwortlich für die Belange der Oberstufenschülerinnen und -schüler am GSG. Nach der Zusammenführung von GSG und FSG stellte sie ihre Kräfte voll in den Dienst der »neuen« Schule. Vorstellungen, Ideale und Leben unseres Namenspatrons Freiherr vom Stein brachte sie mit anderen Kolleginnen und Kollegen den Schülerinnen und Schüler unter anderem in einer beachtenswerten Ausstellung nahe. Ihr schier unerschöpfliches Wissen wurde von allen gerne und zahlreich genutzt. Doris Kraemer sah immer die Gegenwart als Zukunft der Vergangenheit. Es war ihr ein hohes pädagogisches Ansinnen, den Schülerinnen und Schülern die Botschaft mit zu geben, selbst- und mitbestimmend auf bewusst erlebten historischen Wurzeln in der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft aktiv tätig zu sein. Dieses lebte sie im schulischen wie im privaten Bereich vor. Den Schüleraustausch unserer Schule mit der Goetheschule in Sankt Petersburg unterstützte sie auf vielfältige Weise. Bei fast jedem Austausch fielen ihr interessante Programmpunkte ein. Schülerinnen und Schüler beider Schulen ermunterte sie, sich am Wettbewerb »Deutschland und seine östlichen Nachbarn« zu beteiligen, wobei einige Arbeiten mit Preisen ausgezeichnet wurden. Als passionierte Anhängerin des Fußballvereins Borussia Dortmund freute sie sich über jeden Sieg und die deutsche Meisterschaft, ging aber als Nachbarin des BVB-Stadions mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Ausbau der Anliegerstraße vor. Nach ihrer Pensionierung wollte sie sich intensiv ihren vielfältigen Interessen widmen. Leider blieb ihr aber nur wenig Zeit, den wohlverdienten aktiven Ruhestand zu erleben. Wir werden uns stets in ehrendem Andenken an Doris Kraemer erinnern. Ingeborg Schöpe Sophie Hochrein Brigitte Haverkamp Martin Haverkamp |