Jugendtheater-Festival: Märchenhaftes Stück des Stein-Gymnasiums
Stimmungsvoller hätte der Einstieg nicht sein können: ruhige Musik, eine grün gekleidete Person mit einem großen Hut allein auf der Bühne. Dann ein Ensemble-Tanz, der die Zuschauer sanft zur Handlung trug. So begann der vierte Spieltag des „Festivals Junges Theater Lünen“. „Somewhere over the rainbow“ hieß das Stück, das die Theater AG des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums im Heinz-Hilpert-Theater vor einem großen Publikum aller Altersklassen aufführte. Ein Titel, der schon wie Poesie klingt und den Träumen freien Raum lässt.
Programmheft
So bleibt die Handlung auch nicht lange in der Realität des Schulalltags stecken. „Mein Bruder sagt, es gibt hunderte von Feen, überall auf der Welt, in allen Farben des Regenbogens“, meint die kleine Caitlin (Marlene Heide). Und in diese Welt der Feen und Elfen, der Hexen und Kobolde, der Geister und sprechenden Tiere nimmt Bruder Brady (Nico Wellers) die Zuschauer mit. Er ist auf der Suche nach dem Schatz am Ende des Regenbogens, um seine Eltern aus ihrer finanziellen Not zu befreien. Seine Reisebegleiterin ist eine Puppe (Monique Bittner), die ein Herz sucht, um ein richtiger Mensch zu werden. Doch wer die beiden 17-jährigen Autorinnen Saskia und Vanessa Bliecke kennt, die in den letzten drei Jahren vier Stücke auf die Bühne des Hilpert-Theater brachten, weiß, dass ihre Werke wie ein barocker Schelmenroman viele Ebenen enthalten und vollgepackt ist mit Symbolik, Schlenkern in die Mythen- und Literaturwelt und sich mit den heute brennenden Fragen auseinandersetzen. Und trotzdem. Erstaunt ist man immer wieder, nicht nur von ihren überraschenden Regieeinfällen, sondern auch von ihrem immensen Ideenreichtum.
Manche Szenen bieten politisches Kabarett auch hohem Niveau. Da sind die mit allen erdenklichen Gebrechen ausgestatteten Hexen CD-Ulla(Johanna Wohlert) und SP-Dörte (Franca Neumann), die aus Steuerhöhung, Mindestlohn und Betreuungsgeld ein Koalitionscocktail mixen, wobei eine abgehalfterte FD-Petra (Rhea Lüring) noch immer mitmischen möchte. Da steht Brady O’Connel stellvertretend für die menschlichen Umweltsünden vor Gericht. Und was ist die die Strafe? In der Welt von Morgen leben zu müssen. Da nimmt die Gerichtsszene Ionescohafte Züge an, indem der Richter (Amina Al Dib) eine Ziege, der Staatsanwalt (Tanja Pohl) ein Esel und der Verteidiger (Cicéron Kulosa) ein Hahn ist. Da bringt der unfreiwillig mit einem Lachanfall aus der Rolle fallende Staatsanwalt sogar noch einen Zusatzgewinn ein. Und immer wieder fließt die Literatur ein: Goethes Zauberlehrling in einer Wasserszene, die Versuchung durch das Schlaraffenland und eine Verführung à la Venusberg im Wagnerschen Tannhäuser.
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Alle Bilder der Slideshow wurden freundlicherweise von Diethelm Textoris der Website des FSG zur Verfügung gestellt.
Jeder der über 50 Akteure füllte seine Rolle voll aus. Überragend waren Nico Wellers als Brady und Monique Bittner als Puppe. Nicos Glanzleistung war die Darstellung der Schüchternheit und Verwirrung bei der beginnenden Liebe für die Puppe, bei Monique waren es die mechanischen Bewegungen der Puppe und der Übergang zur menschlichen Fortbewegungsweise. Ein dickes Lob verdienen auch die stets passende Kostümausstaffierung durch die Bliecke Zwillinge und Carolin Schumann und die nahezu professionelle Schmink- und Maskenausstattung durch Fides Laarmann. Und die Krönung der ausgewogenen Musik kam wieder von Franca Fischer, deren „Somewhere over the Rainbow“ Interpretation der von Judy Garland nichts nachstand und unter die Haut ging.
Beschwingt nachdenklich
„Ich fand bei diesem insgesamt tollen Stück besonders gelungen, dass es kein aufgesetztes, kitschiges Happy-End gab, sondern dass das Publikum in eine beschwingte Nachdenklichkeit entlassen wurde“, meinte Gunnar Madeheim. Und Hans Stemmerich, Lehrer am Stein-Gymnasium, fühlte sich innerlich berührt: „Da wurden auch die Gefühle der Zuschauer angesprochen.“ Diethelm Textoris