Elternbrief des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums
von Montag, dem 30. Juni 1997

Redaktion: Peter Gehrmann

 

 

Liebe Eltern,
liebe Schülerinnen, liebe Schüler,

30 Jahre lang bin ich Lehrer am FSG gewesen, 30 Jahre lang habe ich das Glück gehabt, mit jungn Menschen zusammen zu sein, und mit ihnen zu lernen, von ihnen zu lernen. Nach dem Motto »Wenn’s am schönsten ist,...«, ziehe ich am Ende dieses Schuljahres den Vorhang herunter und verabschiede mich von all denen, die mir über Jahre hinweg sehr viel bedeutet haben, von Eltern, Schülern, Lehrern und Angestellten. Ich tue das nicht ohne Traurigkeit, aber auch mit erwartungsvoller Freude auf die kommende Zeit.

Meine guten Wünsche begleiten alle aus der großen Schulgemeinde des FSG, ich bedanke mich für Ihren/Euren Einsatz für unsere Schule. Es hat mir viel gegeben, zu dieser Schulgemeinde zu gehören. Danke und Tschüs!

Ihr / Euer

E. Neugebauer
(Schulleiter)

 


 

»Schritt – Atemzug – Besenstrich«

In einem Bild aus Michael Endes Buch Momo geht es um den Straßenfeger Beppo, der seine Arbeit gern und gründlich tat, denn es war eine notwendige Arbeit. Er tat sie langsam, aber stetig und entwickelte während des Fegens oft große Gedanken.

    Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich, die ist so schrecklich lang, das kann man niemals schaffen, denkt man und fängt an, sich zu eilen und man eilt sich immer mehr. Jedesmal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was vor einem liegt und man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken.

Dann entwickelt Beppo seine Philosophie:

    Bei jedem Schritt ein Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich. ... Schritt – Atemzug – Besenstrich ... Schritt – Atemzug – Besenstrich. Und auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat.

Auch Herr Neugebauer ist nun am Ende einer Straße, am Ende seiner Tätigkeit an der Friedenstraße.

Schon sehr früh wußte Herr Neugebauer, welchen Beruf er anstreben wollte: Lehrer oder Jurist, weil er gern mit Menschen umgehen wollte.

Obwohl der Schwerpunkt im Studium auf der englischen Sprache lag, schlug sein Herz doch mehr für die französische.

An das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium kam Herr Neugebauer zuerst als Referendar am sogenannten »Anstaltsseminar« – für ihn eine prägende, sehr schöne Zeit, weil sich mit seinen Referendarkollegen hier Freunschaften angebahnt haben, die bis heute andauern. Schon bald entwickelte er sein Interesse an Schulorganisation und er wurde Verwaltungsoberstudienrat und danach stellvertretender Schulleiter.

Der plötzliche Fortgang des Schulleiters Herrn Ost bedeutete für Herrn Neugebauer zunächst die kommissarische Leitung des FSG, die er dann nach einem Jahr offiziell übertragen bekam als Oberstudiendirektor – gerade rechtzeitig zum großen 75jährigen Jubiläum! Der Beginn seiner Schulleiterphase brachte für ihn dann die größten Belastungen:

  1. Durchführung des 75jährigen Jubiläums
  2. Die Problematik der Zusammenführung des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums mit dem Geschwister-Scholl-Gymnasium – mit den endlosen Diskussionen, welche Schule überleben sollte
  3. Die schwierige Lage, 1300 Schüler in einem kleinen Gebäude zu beschulen
  4. Zusätzliche Belastungen des Schulalltags durch den Erweiterungsbau mit Lärm und Krach, dazu die Raumnot und der Streß, der durch den Zwang des ständigen Umziehens von einem Raum in den anderen entstand, als das Altgebäude umgebaut wurde.

So erschien es allen als Erlösung, als der Umbau schließlich beendet und ein ordentlicher Verwaltungstrakt entstanden war, der endlich normale Arbeitsbedingungen auch für diese Schule erbrachte.

In diese turbulente Phase fiel die Einarbeitungszeit für den neuen Schulleiter, der oft vor schier unlösbaren Problemen stand, weil jeder Tag ihm neue ungewohnte Aufgaben stellte. Fehler vermeiden war sein oberstes Gebot und das selbst bei kleinsten formalen Dingen.

Selbst nach der Fertigstellung des Um- und Erweiterungsbaus war allen klar, dass trotzdem für die nächste Zeit bereits ein Raumdefizit vorhanden war, das heißt dass Herr Neugebauer diese Schule unter schwierigen äußeren Bedingungen weiter leiten mußte. Und nun steht am Ende seines letzten Besenstrichs wieder ein Erweiterungsbau an, der gerade vom Rat der Stadt Lünen beschlossen wurde.

Auf die Frage, ob er einen Traum – eine Vision – hatte, als er sich damals als Schulleiter beworben hatte und was daraus geworden ist, antwortete Herr Neugebauer, dass es seine Absicht gewesen sei, eine Schule ohne hierarchische Strukturen zu schaffen und kollegial zu führen, Toleranz zum Prinzip werden zu lassen und den Schülern und Lehrern möglichst viele Freiräume zu eröffnen.

Im Rückblick auf die letzten 15 Jahre stimme ich ihm zu, dass ihm die Realisation weitgehendst gelungen ist, denn unter seiner Leitung hat sich nicht nur ein leistungsstarkes Kollegium entfalten können, sondern auch eine Schülerschaft, die freiheitsbewußt und sozial engagiert und mutig ihre Vorstellungen auch in der Öffentlichkeit vorträgt. Diese Prinzipien haben bewirkt, dass unser Gymnasium von der Bevölkerung geschätzt wird. Bester Beweis dafür ist der große Zustrom, den unsere Schule seit Jahren erfahren hat. Einige Beispiele, die mich besonders beeindruckt haben, waren

  1. der erfolgreiche Kampf des Kollegiums und der Schüler gegen die unmöglichen ersten Baupläne, wobei sogar ein Ratsbeschluß geändert wurde als Folge des Stein’schen Widerstandsgeistes
  2. die politische Sensibilität der Schülerschaft, besonders der SV-Lehrer, bei der Aktion »Lieber Schweigen als totschweigen«, die als Folge die Neugestaltung des jüdischen Friedhofes und einen Diskussionsabend mit Ignatz Bubis hervorbrachten
  3. die spontanen Hilfsaktionen bei dem »Hungerwinter« in Rußland als ein Sattelschlepper mit Lebensmitteln von der Schulgemeinde des FSG für St. Petersburg gefüllt wurde und als die Lehrerschaft für das Zustandekommen des Besuches von Petersberger Schülern spontan und großzügig 3000,-DM gespendet hat.

Diesen guten Geist an unserer Schule hat Herr Neugebauer mitgeprägt und gefördert. Denn er hat nie vergessen, wie es ist, auf Hilfe angewiesen zu sein. Und diese hilfsbereite Haltung hat er auch immer den Kollegen gegenüber gezeigt, wenn jemand in persönlichen Schwierigkeiten oder Notlagen steckte.

Hans Jürgen Korn
(aus der Rede zur Verabschiedung von Herrn Neugebauer)

 

 


 

Frei-er vom Stein oder: Eine Ära geht dem Ende zu

Als man mich vor kurzem fragte, ob ich ein paar Ideen und Gedanken zur Pensionierung Herrn Neugebauers hätte, habe ich zunächst gestutzt und auf eine göttliche Eingabe gewartet. (Ich warte zwar immer noch, fange aber schon einmal an zu schreiben!)

Wir Eltern haben ja eigentlich innerhalb der Schulgemeinde die wenigsten Berührungspunkte mit dem Schulleiter – meist nur bei der Einschulung und etwas weniger häufig beim Abitur unserer Kinder. Ein wesentlich kleinerer Kreis erlebt ihn dann auf Schulpflegschaftssitzungen und ein ganz kleiner erlebt ihn bei der Schulkonferenz – dies allerdings dank Schuljubiläum und Kooperationsanfrage aus Altlünen in diesem Jahr etwas öfter! So fußen meine Erfahrungen mit Herrn Neugebauer auf den soeben aufgezählten Gelegenheiten und auf den Erzählungen meiner Söhne aus der Schule.

Meinen ersten Kontakt mit Herrn Neugebauer als Schulleiter hatte ich vor neun Jahren in der Aula des FSG. Er ging gemessenen Schritts nach vorn, um dort ohne spürbare Nervosität vor uns erwartungsfrohen Eltern eine informative Rede zu halten. Zu diesem Anlaß war er im passenden, eleganten »outfit« erschienen, was seine Aufgabe als Schulleiter noch unterstrich. Später stellte ich fest, daß die elegante Bekleidung genauso zu Herrn Neugebauer gehörte wie seine souveräne Art bei offiziellen Anlässen, so zum Beispiel bei der letzten Abiturfeier. Die Abschiedsrede hat mir sehr gut gefallen!

Später in den Schulpflegschaftssitzungen und der Schulkonferenz überzeugte er durch seinen fairen Umgang mit allen Beteiligten, so daß wir Eltern das Gefühl hatten, unsere Meinungen, Probleme und Problemchen wären bei ihm an der richtigen Adresse. Selbst wenn einmal das Abstimmungsergebnis nicht seinen Erwartungen entsprach – was ja bisweilen vorkam – so versuchte er als echter Demokrat, den Beschluss dennoch umzusetzen.

Zu den eben erwähnten demokratischen Tugenden gesellten sich noch einige »preußische«: das Engagement für »sein Stein«, das Bemühen um Sachlichkeit und Gerechtigkeit, seine Zuverlässigkeit, seine Pünktlichkeit und sein Pflichtgefühl.

Hier ein Beispiel – von Schülern »kolportiert«: Herr Neugebauer erschien zur Doppelstunde Französisch-Grundkurs pünktlich um 8.10 Uhr und klärte die Schüler über seinen derzeitigen Gesundheitszustand auf. Der Arzt hatte bei ihm eine Lebensmittelvergiftung festgestellt, er müsse diesmal früher den Unterricht beenden, um noch nach Kamen zum Krankenhaus zu fahren. Die Vorfreude der Schüler auf einen vorzeitigen Unterrichtsschluß erwies sich als voreilig. Pünktlich endete der Kurs um 9.45 Uhr; denn: ein Unterrichtsausfall kam für Herrn Neugebauer wohl nur bei totaler Bewegungsunfähigkeit in Frage.

Nun ist also die Ära Neugebauer abgeschlossen. Sie hat ihre unübersehbaren Spuren am Stein hinterlassen und die Meßlatte für den zukünftigen Schulleiter am FSG sehr hoch gehängt. Gott sei Dank hat die Schule ja noch in Herrn Korn einen altbewährten Stellvertreter, der den Wechsel von einer langen, erfolgreichen Ära Neugebauer zu einer neuen abfedern kann.

Ich möchte nun schließen nicht ohne ein paar persönliche Worte an Herrn Neugebauer zu richten im – wie ich hoffe – Einverständnis mit der Elternschaft.

Sehr geehrter Herr Neugebauer!

Wir bedanken uns ganz herzlich für all Ihren Einsatz für Schule, Schüler und Elternschaft. Wir wünschen Ihnen einen guten Rutsch in den wirklich verdienten Ruhestand. Bleiben Sie noch lange Jahre bei bester Gesundheit und genießen Sie das Leben »nach der Schule«.

Für die Elternschaft

Jan Dirk Kappelhoff

 


 

Wir sind uns einig: Einmal Steini, immer Steini!

So wie Herr Neugebauer das FSG vielleicht vermissen wird, fehlt uns wohl zukünftig auch ein bißchen diese ganz spezielle, kritische aber gleichzeitig doch humorvolle Beziehung zu unserem Schulleiter.
Nach 17 Jahren kennen wir als Schüler die Schwächen und die Stärken unseres Chefs. Und gerade die sind es auch, die die Verbindung geprägt haben.

Deshalb an dieser Stelle nochmals unser Dank für die lange Zeit einer guten Zusammenarbeit und alles Gute für die Zeit nach dem Stein.

Meinsteindeinsteinunserstein

Marcus Hoffmann, Jahrgangsstufe 11

 


 

Bundesweites Echo auf Aktion zur Neugestaltung des Judenfriedhofes

Unter dem Themengebiet »Jüdische Spuren in unserer Region« nahmen Schülerinnen und Schüler am Bundeswettbewerb zur politischen Bildung teil. Mit einer Dokumentation über die geschichtliche Entwicklung des Judenfriedhofes in Lünen und die notwendigen Pläne zur Neugestaltung der Rasenfläche an der Münsterstraße bewarb sich eine Religionsgruppe der Klasse 9 bei diesem Wettbewerb.

Hauptaspekte der Arbeit waren zum einen das Interview mit dem heimischen Bildhauer Reinhold Schröder, der den neuen Entwurf (gebrochenes Lebensband, Davidsstern, deutliche Gliederung der Rasenfläche) entwickelt hat, und zum anderen das Treffen mit Herrn Bubis vom Zentralrat der Juden im vergangenen Jahr in unserer Schule. Kurz nach den Osterferien gab die Jury bekannt, daß die eingereichte Dokumentation mit einem Geldbetrag von 200,-DM sowie einem Jugendkalender für jeden Beteiligten gewürdigt wurde. Die offizielle Preisverleihung durch die Schulleitung geschah vor Ort auf dem Gelände des ehemaligen Judenfriehofes. Zur Freude der Schülerinnen und Schüler fand dieses Ereignis auch unter den Augen der Lokalpresse statt.

Kath. Religionsgruppe, Klassen 9c/d

 


 

Glücksburgfahrt ’97

Die schon traditionelle Fahrt der Jahrgangsstufe 7 zur Jugenderholungsstätte Schwennauhof an der Ostsee startete in diesem Jahr am 16.Juni am Theaterparkplatz in Lünen. 126 Schüler und Schülerinnen begleitet von ihren Lehrerinnen und Lehrern starteten in eine erlebnisreiche Woche, die hoffentlich allen in guter Erinnerung bleiben wird. Nach den obligatorischen Klagen über zu engen Wohnraum, zu wenig Komfort usw. konzentrierten sich alle auf die wirklich positiven Seiten des Aufenthalts. Die vielen Sportmöglichkeiten Tischtennisplatten, Fußballplätze, Basketballkorb und Kickertische wurden genau so rege genutzt wie die intensive Kontaktaufnahme zu Mitschülern aus anderen Klassen nicht nur aus Lünen.

Da sich die gefürchtete Holnis-Wanderung bei wunderschönem, aber sehr windigem Wetter als gar nicht so schrecklich erwies (keine Verluste!), blieb genügend Energie sich entweder schreibend – bereits am zweiten Tag begann das Redaktionsteam mit der Arbeit an der hauseigenen Zeitung Glüxnjus – oder anderweitig zu engagieren. Während die Großzahl sich dem sportlich fairen Wettkampf widmete, entdeckte eine kleinere Gruppe das Vergnügen der freiwillig-unfreiwilligen Dusche per Wasserpistolen. Doch auch diese selbsternannten Wasser-Cowboys konnten ohne Anwendung der »äußersten« Gegenmaßnahmen in die Schranken gewiesen werden und sich beim morgendlichen Joggen oder beim Tischdienst austoben.

Das abwechslungsreiche Programm der nächsten Tage: Besichtigung von Schloss Glücksburg, Busfahrt nach Husum mit Besuch des »Nissenhauses«, Grachtenfahrt in Friedrichstadt und die obligate Wattwanderung bot ebenso Gelegenheit sich einen genaueren Eindruck von Landschaft, Natur, Kultur und Menschen zu verschaffen wie die folgende Fahrt nach Flensburg mit Besuch der »Phänomenta«, eines Experimentiermuseums.

Zwischendurch wurden die Tage für erste Kanuversuche auf der Ostsee, verschiedene Turniere und sportliche Wettkämpfe oder eine Glücksburgrallye genutzt, parallel fanden sich stets reichlich Interessenten für die Mitarbeit an den Glüxnjus; dabei konnte selbst das inzwischen sehr wechselhafte Wetter unseren Aktivitäten und der guten Stimmung keinen Abbruch tun.

Auch die Gestaltung des Abschlusstages mit Sketchen, musikalisch-tänzerischen Einlagen und Siegerehrungen war wie die gesamte Fahrt harmonisch und positiv. Abschließend können wir, die begleitenden Lehrpersonen, der gesamten Jahrgangsstufe für ihr überwiegend engagiertes und unkompliziertes Mittun bei dieser Stufenfahrt ein großes Kompliment aussprechen.

Josef Schröder

 


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Stand: 29.10.2000
Artur Weinhold