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Zur Erinnerung an Yacov Levi (Teil II)
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1937: Aufgabe der Metzgerei infolge der NS-Boykottmaßnahmen, die auch in Lünen griffen |
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die Metzgerei aufgrund der Boykottmaßnahmen des NS-Staates nicht mehr florierte,
gab Paul Levi im Juli 1937 das Geschäft auf und vermietete den Betrieb. Als
dann als erste die Tochter Else mit ihrem Lebensgefährten, einem Frankfurter
Arzt, im August 1937 nach Palästina auswanderte, erkannten Yacovs Eltern, dass
»es so nicht weiter gehen konnte«. Im Lebensbericht der Mutter Lina heißt es:
»Wir mussten hier fort, hier war keine Bleibe mehr. Selbstverständlich richtete
sich unser Blick nach Palästina, wo ja schon ein Mitglied unserer Familie
weilte«.
Auch
der schöne Blick, der sich noch Anfang der 1930er Jahre vom Elternhaus auf den
Alten Markt – mit dem Gasthaus »Zur Alten Post« (1. Haus links), dem Café
Mönninghoff (3. Haus links), dem Geschäft Kaiser’s und dem Rathaus (3. Haus
rechts) – bot (s. Bild unten), hatte sich längst geändert. Als Adolf
Hitler am 29. Juni 1934 durch die Stadtmitte fuhr, »sahen wir Hitler
erscheinen, sahen ihn mit eigenen Augen, versteckt hinter den Vorhängen, wie er
wie ein Gottgesandter von der Bevölkerung empfangen wurde,... mit erhobenen
Armen, wie um ihn anzubeten« (zit. aus Lina Levis Bericht v. 1960). Und auch in
der folgenden Zeit fanden vor dem Rathaus immer wieder Aufmärsche und Paraden
von NS-Verbänden statt, die sich unmittelbar vor der Metzgerei Levi abspielten.
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Im März 1938 verließ Yacov die Stadt Lünen, nachdem er und sein Vater eigenhändig am 16. März die »Polizeiliche Abmeldung« unterschrieben hatten. Das Einwohnermeldeamt vermerkte auf dem Formular: »Am 18.3.38 verzieht von Lünen, Str. d. SA. Nr. 49 nach Misra/Palästina: Levi, Ernst Jakob, ledig, von Beruf Schreiner [...]«. |
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Die letzten Eindrücke des gerade 15-Jährigen beim Überqueren der Rheinbrücke nach Straßburg waren: »Ich erinnere mich, wie wir spontan unsere Hymnen sangen, als wir auf der Rheinbrücke nach Straßburg sahen, wie der letzte deutsche Uniformierte die Eisenbahn verließ, die uns nach Marseille zum Schiff führte. Es war uns gelungen von Deutschland zu entkommen. Der Preis war: Verzicht aufs Elternhaus. Meine Eltern kamen illegal 1941.« |
Neuanfang im Kibbuz Mizra |
Yacov Levi reiste allein, ohne seine Eltern, nur begleitet von anderen Jugendlichen, die von ihren Eltern vorab außer Landes in Sicherheit gebracht wurden. Sein Ziel war der Kibbuz Mizra, der 1923 in Palästina, zwischen Nazareth und Afula, gegründet worden war. Die erste Zeit hier war für Yacov besonders schwer: »Dann kam ein sehr traumatisches Jahr, und danach musste ich mir einen neuen Rahmen für mein Leben innerhalb einer besonders engen und guten Gemeinschaft schaffen«. Seinen offiziellen Namen »Ernst Jakob« legte er noch im gleichen Jahr seiner Ankunft ab: »3 Monate nachdem wir nach Palestina kamen, haben wir unsere Deutschen Namen verbrannt«. Fortan hieß er nur noch Yacov Levi. |
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Außerdem »legte er«, wie er 1982 schrieb, »bewußt die deutsche Vergangenheit ab«. Die deutsche Sprache wurde fortan nicht mehr benutzt und selbst in seiner Familie, die er in den 1940er Jahren gründete – er heiratete die aus Breslau stammende Miriam und ab 1946 vergrößerte sich die Familie um drei Kinder – wurde jahrzehntelang nie Deutsch, sondern von Beginn an nur noch Hebräisch gesprochen. Den Start im Kibbuz fand Yacov, wie er in einem Brief vom 16. Mai 2010 an Mert Özdiker, Schüler am FSG in Lünen, schrieb, »das Beste, was mir geschehen konnte. Der Kibbuz gab mir ein neues Home und Gemeinschaft, mit dem Ich mich 100 prozentig identifizieren konnte. Ich lebte 25 Jahre in einem Kibbuz, die idealste Lebensform die man sich vorstellen kann. Keine Polizei, kein Gericht. Alle Aemter werden jedes Jahr von neuem gewaehlt. [...] aller Besitz ist gemeinsam, kein Geld usw.« |
Abenteuerliche Flucht der Eltern |
Die im Alter von 14 Jahren in Deutschland abgebrochene Schulausbildung konnte Yacov Levi im Kibbuz Misra nicht fortsetzen. Vielmehr begann er dort zunächst in der Landwirtschaft zu arbeiten. Nach einigen Jahren wurde er Leiter einer Schulfarm und übernahm dann im Kibbuz eine langjährige Tätigkeit als Schreiner. Allerdings bildete er sich nebenbei nach und nach selbst weiter und erlernte auch die englische Sprache, die in den ersten 4 Jahren des Lüner Gymnasiums noch nicht unterrichtet worden war: «Lateinisch und Französisch halfen mir, wissenschaftliche Literatur zu verstehen, und später eignete ich mir auch die englische Sprache an. Wir lernten immer, in allen Lagen. Immer hatte ich Zugang zu Büchern, selbst als das, was auf den Tisch kam, sehr knapp war«.
Zwei Jahre nachdem Yacov Deutschland verlassen hatte, gelang auch seinen Eltern die Flucht aus Deutschland. Im November 1940 erreichten sie Palästina nach einer 3-monatigen Irrfahrt über die Donau, das Schwarze Meer und das Mittelmeer, wurden dann aber von der britischen Mandatsmacht nicht ins Land gelassen, sondern auf das Schiff »Patria« verfrachtet, um weiter zur Insel Mauritius gebracht zu werden. Aufgrund eines Sprengstoffanschlags versank das Schiff am 25. November im Hafen von Haifa. 254 Flüchtlinge ertranken, Lina und Paul Levi wurden gerettet, jedoch zunächst noch monatelang in das englische Internierungslager Atlith eingesperrt. Nach ihrer Freilassung Mitte 1941 betrieben sie in der Nähe von Tel-Aviv eine Hühnerfarm. Als Paul Levi 1950 starb, zog sie zu ihrem Sohn in den Kibbuz Misra. |
Als britischer Soldat zurück nach Europa |
Der Zweite Weltkrieg wirkte sich auch auf Yacov aus, als er gegen Kriegsende zur Britischen Armee eingezogen und nach Europa geschickt wurde. In Belgien war er bis 1946 als Korrespondent bei der Jüdischen Zeitung der Britischen Brigade tätig. Das nachfolgende Bild zeigt ihn 1946 zusammen mit seiner Großmutter Rosa Salmang, geb. Windmüller, die von 1925 bis 1935 in seinem Elternhaus in Lünen gelebt hatte und dann nach Holland emigriert war, wo sie in einem Versteck in Maastricht den Holocaust überlebte. |
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Yacov, dreiundzwanzigjährig, mit seiner Oma Rosa Salmang |
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