Als das damalige Realgymnasium mit seinem Direktorenwohnhaus zwischen 1929 und 1931 errichtet wurde, befand sich der Baustil ‚Neues Bauen‘ auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Nicht nur architekturgeschichtliche Aspekte, sondern auch schul- und sozialgeschichtliche Errungenschaften lassen sich an dem ehem. Realgymnasium besonders gut ablesen.

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Copyright: LWL-DLBW, Dipl.-Fotodesignerin Greta Schüttemeyer, Münster

Das auf Z-förmigem, geschwungenem Grundriss angelegte Schulgebäude zeigt mit Flachdach, horizontalen Fensterbändern und gerundeten Ecken deutliche Formen des Neuen Bauens. In der dunkelroten Klinkerfassade fällt besonders der leicht geschwungene Nordflügel mit einem halbhohen, gerundeten Pavillon auf. Hauptdominante des Gebäudes ist der im Gebäudewinkel liegende Treppenturm, der nicht nur das Hauptportal und das Treppenhaus, sondern auch das Direktorenzimmer und Klassenräume der Oberstufe aufnimmt. Gekrönt wird der Turm durch einen rechtwinkligen Dachaufsatz aus Klinkersteinen. Die Uhr hat an zwei Seiten des Turmes Ziffernblätter aus blauen und weißen Fliesen mit balkenartigen Zeigern in Schwarz und Gold.

Verantwortlich für diese modern sachliche Gestaltung ist der Architekt Karl Schulze (1876–1929), der gemeinsam mit seinem Bruder Dietrich das in Dortmund ansässige Architekturbüro D & K Schulze leitete. Bekannt wurde das Büro um 1900 mit traditionellen Bauten und historistischen Einflüssen, während ab Mitte der 1920er-Jahre auch expressionistische Elemente in den Vordergrund rückten. Als eines der letzten Werke von Karl Schulze zeigt das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, wie sich der etablierte Architekt mit dem Zeitgeist der 1920er Jahre und der besonderen Bauaufgabe auseinandersetzt.

So entsteht im Inneren durch die gelb und grün gefliesten Flure eine abwechslungsreiche, heitere Atmosphäre, die im Zusammenhang mit den reformpädagogischen Ansprüchen an die Schulbauten der Zeit gesehen werden kann. Mithilfe einer ‚kindorientierten‘ Pädagogik, die sich in Lünen u.a. mit der Einrichtung von großen, hellen Arbeitsräumen sowie Fachräumen mit der Möglichkeit der Schülermitarbeit niederschlug, sollte die Erziehung zum modernen Menschen gefördert werden.

Zeittypisch ist auch die Berücksichtigung von Hygiene- und Gesundheitsaspekten, wie die ursprüngliche Anlage von Trinkbrunnen auf jeder Etage, wodurch die Schüler frisches Wasser zur Verfügung hatten. In dieselbe Richtung zielten auch die Anlage einer Freiluftklasse auf dem Dach und die großzügige Sporthalle mit Verbindung zum Außenbereich.

Nicht nur die Schüler profitierten von dieser ganzheitlich modernen Schule, sondern die Stadt Lünen konnte sich zugleich als Bildungsstandort gegenüber dem Umland positionieren.

Aufgrund seiner Vielschichtigkeit und besonders guten Zeugniskraft wird das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium als eines von 35 Gebäuden aus Westfalen zum 100-jährigen Bauhausjubiläum von der LWL-DLBW auf der Homepage www.neues-bauen-im-westen.de präsentiert.